Buchkritik -- Alvin S. Schmidt -- Wie das Christentum die Welt veränderte

Cover  --  Alvin S. Schmidt  --  Wie das Christentum die Welt veränderte Das Christentum mit seiner 2000-jährigen Geschichte ist ein grandioses Erfolgsmodell. Das ist jedenfalls die These von Alvin J. Schmidt. Sein Buch Wie das Christentum die Welt veränderte schildert auf fast 500 Seiten diesen, mittlerweile zwei Jahrtausende währenden Triumph. In einer Zeit, in der das Religiöse in der Gesellschaft, zumindest in der westlichen, immer mehr am Verschwinden zu sein scheint, in der Kirchen umfunktioniert werden zu Mehrzweckhallen und sogar im europäischen Verfassungsentwurf kein explizites Bekenntnis zu den historischen und religiösen Wurzeln eben dieses Europas zu finden ist, scheint es ein Anachronismus ungeheuren Ausmaßes zu sein, ein Buch zu veröffentlichen, welches sich mit den Grundlagen und den geschichtlichen Auswirkungen des christlichen Glaubens in der abendländischen Kultur beschäftigt.

Der Autor, lutherischer Pastor und Professor für Soziologie, streift in seiner Untersuchung nahezu alle Bereiche menschlicher Kultur und menschlichen Zusammenlebens. Der Bogen umfasst sowohl die Entwicklung der Gesundheitsfürsorge, das Bildungswesen, Wirtschaft, Literatur, Musik und Kunst, als auch die Entfaltung von Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Was für unsere Zeit banal klingt, war zur Gründungszeit des Christentums mitnichten selbstverständlich, anerkannte doch das antike griechische und römische Weltbild ausschließlich den gesunden, starken und natürlich adeligen Menschen. Kranken, Schwachen und Sklaven galt kein Mitgefühl.

Schmidt zeigt den Einfluss des Christentums in all seinen Facetten. Natürlich und das gibt er auch unumwunden zu, verirrte es sich auch einige Male in seiner historischen Entwicklung. Das spricht jedoch nicht gegen den christlichen Glauben, zumal er sich mit der Figur des Martin Luther als reformfähig erwies.

Überhaupt ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass die ethisch-moralischen Grundsätze der westlichen Zivilisation durch den Glauben an die christlichen Werte entscheidend beeinflusst wurden. Der Autor stellt in seinem Buch des öfteren die Frage, was wohl gewesen wäre, wenn es die Figur Jesus nicht gegeben hätte. Die Frage ist berechtigt, denn die heutige Welt wäre eine komplett andere, als wir sie kennen.

Die Wissenschaft, die sich bewußt von Glauben distanziert und damit forschungsethisch auch vollkommen recht hat, ist doch nichts anderes als die Suche nach Gesetzmäßigkeiten und dem letztendlichen Urgrund des Seins. Das hat aktuell niemand besser verstanden als beobachtende Kosmologen und Quantenphysiker. Das große Ziel der Wissenschaft ist die Suche nach den letzten Gesetzmäßigkeiten, eben die Suche nach Gott. Ohne die Überzeugung von der Existenz eines rationalen Gottes, dessen Werke von den Menschen verstanden werden sollen und können, gäbe es keine Wissenschaft. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb der Islam in seiner Entwicklung stagnierte. Alles ist vorbestimmt und kann vom Menschen nicht geändert werden.

Alvin J. Schmidt schreibt pastoral leidenschaftlich, doch man kann ihm leider nicht immer folgen. Ist seine, auf Hans Sedlmayr basierenden Analyse von der Darstellung des Sinnlosen in der Kunst der Moderne noch nachzuvollziehen, so fällt sein Urteil über die Musik des 20. Jahrhunderts doch allzu schroff aus. Nicht jedes Lied, jeder Song muß ein Loblied Gottes im Stile Händels sein. Ein paar Nummern kleiner reicht es auch.

Insgesamt macht das Buch einen überaus positiven Eindruck, zeigt es doch dem Leser, wie viel die moderne Welt dem Mann aus Nazaret verdankt. Es wäre fatal, wenn dieses Erbe aufgrund eines sentimental gelebten Multikulturalismus und eines falsch verstandenen Kosmopolitismus verspielt werden würde.




Meine Bewertung:Bewertung Alvin S. Schmidt