Buchkritik -- Rolf Stolz -- Der Abschiednehmer

Umschlagfoto  -- Rolf Stolz  --  Der Abschiednehmer Rolf Stolz, dessen Roman Der Gast des Gouverneurs in der Wand des Kraters auf diesen Seiten bereits vorgestellt wurde, hat mit Der Abschiednehmer einen neuen Band mit Prosatexten vorgelegt. Er bietet, wie gewohnt bei Rolf Stolz, einen wortmächtigen und präzise formulierten Ausdruck verschiedener erzählerischer Motive.

Gerade bei diesem Werk überrascht aufs neue die Vielfältigkeit der Themen. Sie reichen von einer treffenden und prägnanten Schilderung von Sprach- und Kommunikationslosigkeit (Hieß sie wirklich Isabella?), einem boshaften, aber befreienden Humor (Fantinis Fehler), einer jugendlichen, autobiographischen Milieustudie (Der Dreieckswald), hin zu einem mit Beklemmung und Realität geschilderten Weg in den Wahnsinn (Die Fälscher). Rolf Stolz versteht es auf raffinierte Weise aus anscheinend banalen Alltagsgeschichten eine mit viel Introspektion vermischte andere Realität zu schaffen, als sie der Leser seiner Texte erwartet hätte.

Gerade diese offensichtliche Realität, die doch durch die Subjektivität des Betrachters eine ganz andere geworden ist, beschäftigt den Leser, zieht ihn unmittelbar in die Geschichten hinein. Er ist nicht mehr nur der passive Betrachter der Zeilen, sondern mit ihm geschieht eine Verwandlung, er ist unmittelbar beteiligt und selber ein Teilnehmer geworden. Wer wäre nicht auch einmal gerne so boshaft wie Fantinis Rivale? Wer spürt nicht auch manchmal Abgründe in sich wie Herbert in der (Geschichte eines Mannes, von dem seine Mutter getötet wurde)? Wer kennt nicht die sprachlose Unfähigkeit zu einer Beziehung (Ev) und wem kommt nicht das Fortschreiten der Zeit ins ungewisse Dunkel einer Zukunft zu schnell vor? (Ihre Lebenszeit).

Rolf Stolz bringt seine Texte wortgenau und ohne Umschweife in ihr Ziel. Die Subjektivität des Lesers wird ein Teil der Geschichten. Indem sie ihn verändert, bekommen auch die Texte eine andere Bedeutung. Humor wird zur Verzweiflung, der Wahnsinn wird alltäglich und die Figur des Herbert transformiert sich in die Psyche des Lesers hinein. Das Alltägliche verläßt die Sphäre des Normalen und mutiert zum Horror des Banalität. Dieser Wirkungsweise wird sich der Leser nur schwer entziehen können.

Diese Geschichten zeigen die Fähigkeit des Autors zu einer pointierten Betrachtung der Lebenssituationen und der daraus resultierenden Brüche der Existenz. Einige Texte (Fünfzehn deutsche Geschichten) beweisen dies auf das Beste. Manchmal nur aus zwei Sätzen bestehend, zeigen sie doch die Fragilität des scheinbar sicheren Lebens. Kurze Momentaufnahmen eines "Es hätte auch anders kommen können, wenn...", machen die Ge- und Verworfenheit des Menschen in die jeweiligen, mehr oder weniger zufälligen, Umstände deutlich. Mehr als einmal bekommt der aufmerksame Leser einen Schreck weil er denkt, daß all jenes auch ihm hätte passieren können.

Rolf Stolz schreibt Prosatexte vom Feinsten. Dieser Band hätte viele Seiten mehr haben können, jedoch keine einzige weniger.




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