Buchkritik -- Michael Robotham -- Schweige still

Umschlagfoto, Buchkritik, Michael Robotham, Schweige still, InKulturA In der Kindheit schwer traumatisierte Menschen haben, zumindest als Romanfiguren nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie werden zu Verbrechern, vorzugsweise superschlaue und schier omnipotente Serienmörder oder sie stellen sich als psychologische Berater in den Dienst der Polizei. Letzteres trifft auf Cyrus Haven, die Figur von Michael Robothams neuem Romanzyklus zu. Dessen Bruder meuchelte in jungen Jahren die Mutter, den Vater und die zwei Schwestern von Cyrus und lebt jetzt einer psychiatrischen Anstalt. Stoff genug also für weitere Bände.

Auch die Tätigkeit von Cyrus, seine Beziehungen und vor allen Dingen seine Bekanntschaft mit der jungen Evie Cormac, die ebenfalls eine traumatische Kindheit aufweisen kann und die Fähigkeit besitzt, Lügen zu erkennen, kreist um die verborgenen Abgründe der Mitmenschen, die sich in kriminellen Handlungen manifestieren. Als ein junges Mädchen, die Eiskunstläuferin Jodie tot aufgefunden wird, zieht die Polizei ihn zu Hilfe, um Licht ins Dunkel des Falls zu bringen.

Der Roman ist weniger ein Thriller, als vielmehr die minutiöse Recherche unter den üblichen Verdächtigen, die sich natürlich im Freundes- und Familienkreis finden. Auch das Opfer erweist sich nicht als die Person, die sie vordergründig zu sein schien. So weit, so gut und die Zutaten für einen, wenn auch nicht besonders spannenden, so doch gut konstruierten Kriminalroman sind also vorhanden.

Michael Robotham erzählt die Geschichte aus zwei Perspektiven. Einmal die von Cyrus, der sich, immer wieder rekurrierend auf seine Vergangenheit, mit emphatischer Tiefe in die Psyche des Täters hineinversetzen kann und die von Evie, die, schwer gestört durch ihre Kindheitserlebnisse, fest davon überzeugt ist, keinen individuellen Wert zu besitzen.

Es ist ein nicht immer ganz überzeugendes Katz und Mausspiel, in dem sich die beiden Charaktere miteinander messen, aufeinander angewiesen sind und Misstrauen überwinden müssen. Das und das sukzessive Aufdröseln des Mordes und die Ermittlung des Täters ist ein fast gelungenes Debut für das Duo Haven/Cormac, das in den Folgebänden hoffentlich die vielen noch losen Fäden sowohl der Personen als auch deren Vergangenheiten miteinander verknüpfen wird.

Der Originaltitel des Romans lautet „Good Girl, Bad Girl“. Warum der deutsche Verlag daraus „Schweige still“ gemacht hat, wird wohl das Geheimnis des Lektorats bleiben.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 11. Januar 2020