Buchkritik -- Frank Sorge -- Brunnenstraße 3, Berlin

Umschlagfoto  -- Frank Sorge  --  Brunnenstraße 3, Berlin Berlin, vor der Wende ein Tummelplatz für kauzige Typen, Wehrdienstverweigerer und soziale Aussteiger, nach der Wende internationale Möchtegernmetrople und Spielwiese für Spekulanten und idyllenmüde Schwaben. Diese beiden Welten, auf den ersten Blick so unvereinbar und bar jeglicher Gemeinsamkeiten wie die beiden Kieze Wedding und Neukölln, sind das Eldorado, das Gelobte Land, schlicht die Heimat des sympathischen Underdogs Frank Sorge.

Mit prekärer Portemonnaiefüllung, jedoch gesegnet mit reichlich Zeit und noch mehr Beobachtungsgabe beschreibt der Autor in seinem Buch Brunnenstraße 3, Berlin seine teils skurrilen, teils unfreiwillig komischen, aber immer die Lachmuskeln des Lesers herausfordernden Dramen des Berliner Alltags.

Die zwischenmenschliche Kommunikation gestaltet sich in einer Stadt mit Bewohnern aus über vierzig Nationen naturgemäß gelegentlich etwas schwierig und so verwundert es nicht, wenn der Icherzähler z. B. bei seinen philosophischen Reflexionen über die Berliner Currywurst auch einem "asiatischen Meister der Friteuse" begegnet, der, sehr zum Erstaunen von Frank Sorge, wohl zum ersten Mal in seinem Leben eine Currywurst zubereitet. Berlin wäre jedoch nicht Berlin, wenn es nicht gelingen würde, eine beide Seiten zufriedenstellende Übereinkunft zu finden.

Doch auch bei gleichem muttersprachlichen Hintergrund kann es gelegentlich zu Missverständnissen kommen. Der Erzähler erfährt es spätestens bei seinen telefonischen Kontaktversuchen mit der Hausverwaltung. Dass auch Hausbesitzer teilweise ein anderes Sprachverständnis besitzen als langjährige Mieter, braucht nicht extra erwähnt zu werden.

Launig, kurz und präzise sind die Geschichten, die der Autor zum Besten gibt. Sie sind eine Hommage an das alte, vor dem Mauerfall gehegte Berliner Soziotop, und gleichzeitig auch der gelungene Versuch, sich mit den neuen Bedingungen, die nach dem Ende der DDR in Berlin stattgefunden haben, zu arrangieren.

Brunnenstraße 3, Berlin ist ein Stadtführer der etwas anderen Sorte. Mit wachem Blick und spitzer Feder führt der Autor nicht nur den Ortsfremden durch den gelebten Berliner Wahnwitz. Auch ein Einheimischer, der "Ur-Berliner", bekommt so machen neuen Blickwinkel auf seine Stadt.




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