Buchkritik -- Hannah Rothschild -- Die Jazz Baroness

Umschlagfoto, Hannah Rothschild, Die Jazz Baroness, InKulturA "... der Gründer N.M.Rothschild hatte verfügt, dass die Frauen der Rothschilds nur als Buchhalterinnen oder Archivarinnen eingestellt werden durften." So erzählt es Hannah Rothschild, die Großnichte der im Jahr 1913 in London als jüngstes von fünf Kindern des Barons und Bankiers Charles Rothschild und dessen Gattin Rózsika geborenen Kathleen Annie Pannonica Rothschild, auf den ersten Seiten ihrer Biographie über diese, sich so gar nicht der Familientradition verpflichtet gefühlte Frau, der berühmte Jazzmusiker wie Thelonious Monk ("Pannonica") und Horace Silver ("Nica's Dream") Kompositionen gewidmet haben.

Wer war diese Nica Rothschild, die, ungeachtet der ungeschriebenen Familiengesetze, ihren eigenen Lebensweg gewählt hat, der sie im New York der 1950er und 60er Jahre zu einer Ikone für Jazzmusiker machte? "Die Jazz Baroness", so der Titel des Buches zeichnet des Leben dieser eigenwilligen Frau nach, die Pilotin war, unter de Gaulle in den freien französischen Streitkräften gegen Deutschlands gekämpft hat und nach dem Krieg als Diplomatengattin fünf Kinder zur Welt brachte?

Es war eine einsame Jugend, die Nica de Koenigswarter, so ihr Name nach der Heirat mit Baron Jules de Koenigswarter, zusammen mit ihren Geschwistern verbracht hat. Die Familie Rothschild, so groß ihr geschäftlicher Erfolg auch war, hielt sich im privaten Bereich von anderen fern. Man hütete sich und seine familiären Angelegenheiten vor den Augen und Ohren der britischen Gesellschaft. Einerseits nachvollziehbar, denn auch im England des frühen 20. Jahrhunderts gab es starke Ressentiments gegenüber Juden, andererseits jedoch keine wirklich gute Voraussetzung für eine glückliche Kindheit, da kein Kontakt zu Gleichaltrigen bestand.

Vielleicht war es diese Kindheit, nach heutigen Maßstäben wohl emotional verwahrlost genannt, die Nica Rothschild im Jahr 1951 dazu bewog, ihre Brücken hinter sich abzubrechen und in New York ein anderes Leben zu beginnen. Als Rothschild-Erbin materiell ohne große Sorgen, widmete sie sich der Unterstützung von Jazzmusikern, ganz besonders der von Thelonius Monk, dessen Förderin sie bis zu seinem Tod sein sollte.

Es ist ein spannendes Buch, das Hannah Rothschild da über ihre Großtante geschrieben hat. Und, wie sich die Zeiten ähneln, hatte die Autorin ebenso Probleme mit den Mitgliedern der Familie Rothschild. Auch heute noch gehört es anscheinend zum geistigen Familienerbe, sich gar nicht oder nur sehr dezent über die internen Angelegenheiten zu äußern.

"Die Jazz Baroness" ist reich an Anekdoten und spätestens seit dem Tod Charlie Parkers im März 1955 in Nica Rothschilds Appartement im "Stanhope Hotel" hatte die New Yorker Gesellschaft ihren handfesten Skandal, war es doch absolut undenkbar, dass eine weiße Frau einem Schwarzen Musiker Unterkunft anbot und offene Unterstützung leistete. Ob ihr allerdings jemals bewusst wurde, welche politische und soziale Dimension ihre engen Freundschaften mit farbigen Jazzmusikern hatte, ist fraglich.

Das jedoch war auch nicht, so Hannah Rothschild, ihre Triebkraft. Die bestand ausschließlich, verlässt man sich auf die Aussagen der Autorin, in der allgemeinen Begeisterung für Bebop- und Jazzmusik und in der privaten zu Thelonius Monk. "Die Jazz Baroness" ist eine spannend geschriebene Biographie, die auch für Leser ohne besondere Affinität zur Jazzmusik absolut empfehlenswert ist.




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Veröffentlicht am 29. November 2013