Buchkritik -- Martin Urban -- Ach Gott, die Kirche!

Umschlagfoto, Martin Urban, Ach Gott, die Kirche!, InKulturA Wer so, wie Martin Urban in seinem Buch "Ach Gott, die Kirche!" auf die Vertreter dieser Institution und deren Gläubige losschlägt, der ist im Grunde seines Herzen ein Verzweifelter angesichts des aktuellen Zustands offiziell verkündeten Glaubens. So wird auch am Schluss dieser Polemik - Urban gibt sich alle Mühe dies als fundierte Kritik zu tarnen - deutlich, wie sehr der Autor einer Kirche verhaftet ist, die in seinen Augen reformbedüftig ist und deren aktuelle Anhänger bestenfalls den Status von Dummies besitzen.

Diese sind, so Urban, fundamentalistisch denkende Menschen und somit laut Autor schlichte Gemüter, deren Welt- und Gottesverständnis Ausdruck einer erschreckenden Naivität ist und die sich im "Geschwätz" von Kirchenfunktionären wie Heinrich Bedford-Strohm, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Lutherbotschafterin Margot Käßmann, die schon mal Luther-Playmobilfiguren verschenkt, wiederspiegelt.

Überhaupt hat die - evangelische - Kirche ihren Luther und seinen Kampf gegen eine profit- und machtbessene katholische Kirche vergessen. Zurück zu den Wurzeln der Aufklärung, ruft Urban und wendet sich gegen die Theologieversessenheit der evangelischen Kirche und deren Weigerung, den biblischen Legenden mit naturwissenschaftlichen Argumenten zu begegnen.

Nicht erst die Moderne hat den Zwiespalt zwischen Vernunft und Glaube, naturwissenschaftlichen Gesetzen und Wundern, Tatsachen und Auslegungen erkannt, sondern der ist so alt wie die organisierte Kirche selber. Ausgerechnet das scheint Urban nicht zur Kenntnis zu nehmen, denn Rudolf Bultmann, der Autor zitiert ihn oft, betonte, dass es widersprüchlich ist, einerseits moderne technische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen, andererseits jedoch an die "Wunder" biblischer Schriften zu glauben.

Dabei übersieht Urban leider den ausschließlich bildhaften Charakter gerade des Neuen Testaments, ohne den der Glauben leer und schal sein würde. Kaum jemand, auch kein evangelischer Dummie, glaubt im Ernst an die körperliche Wiederauferstehung von Jesus. Wer es dennoch tut, den kann auch Martin Urban nicht davon abhalten.

"Ach Gott, die Kirche!" ist keine gute Argumentationshilfe für Christen, die sich gegen rückwärts gewandte Fundamentalisten zur Wehr setzen wollen. Zudem blendet der Autor die Diskussionen zwischen Naturwissenschaft und Religion, die seit Jahren geführt werden, vollkommen aus.




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Veröffentlicht am 30. April 2016