Buchkritik -- Wolf Serno -- Die Mission des Wanderchirurgen

Umschlagfoto  -- Wolf Serno  --   Die Mission des Wanderchirurgen Wolf Serno hat den lange erwarteten dritten Teil seines Romanzyklus über die Lehr- und Wanderjahre des Vitus von Campodios veröffentlicht. Seine Leser mußten sich schon mit Geduld wappnen, denn zwischen dem zweiten Teil und dem jetzt vorliegenden lag doch eine schöne Spanne Zeit. Das Warten hat sich jedoch gelohnt. Die drei den Lesern bestens bekannten Freunde, Vitus, der Magister und Enamo bestehen auch in diesem Roman eine gehörige Zahl an Gefahren und Mißgeschicken. Wieder wird der Leser in ein Panorama des 16. Jahrhunderts mitgenommen. Die Figuren sind einmal mehr prall und voller Leben beschreiben.

Vitus ist nach dem Tod von Arlette auf der Suche nach einem Heilmittel gegen die Pest. In Tanger wird Vitus das Opfer einer erotischen Intrige und die drei Freunde landen auf einer Galeere, unter dem unbarmherzigen Kommando eines arabischen Piraten. Damit beginnt für die drei eine Odyssee, die sie durch viele Länder führen wird. Die Gefahren und Umstände, denen sie dabei begegnen, beschreibt Serno gewohnt souverän und überaus informativ. Seine Kenntnisse der damaligen medizinischen Möglichkeiten sind, wieder einmal, beeindruckend. Doch auch seine Schilderungen der Gefahren und der historischen Bedingungen können sich sehen lassen. Hier knüpft Serno nahtlos an die ersten beiden Teile, Der Wanderchirurg und Der Chirurg von Campodios, an. Der Leser glaubt z. B. den Gestank und das Elend an Bord der Galeere plastisch miterleben zu können.

Die Figuren sind lebensecht angelegt und haben in diesem dritten Teil erneut an Konturen gewonnen. Auch in dieser Hinsicht hat es sich für den Leser gelohnt, so lange auf dieses Buch zu warten. Weder Vitus noch seine drei Freunde sind omnipotente Superhelden, sondern sie bestehen mit Hilfe ihrer Vernunft so manches Abenteuer, das anderen an ihrer Stelle wohl das Leben gekostet hätte. Überhaupt spielt die Vernunft wieder einmal eine herausragende Rolle in diesem Roman. Sie ist das Band, welches die Protagonisten miteinander verbindet und das sich durch das ganze Buch, bzw. die ganzen Bände zieht.

Unabhängig von Religion und Hautfarbe, von Beruf und Berufung, von Lebenstil und Lebensart, von Alter und Temperament - die Vernunft taucht in mannigfaltiger Verkleidung auf und wird durch die verschiedensten Menschen repräsentiert. Mit ihrer Hilfe werden die Unterschiede der Kulturen nivelliert und eine gemeinsame Basis geschaffen, auf der ein Miteinander möglich wird. Doch nicht nur der Vernunft singt Serno ein hohes Lied, sondern auch der praktizierten Humanität, denn ohne sie wäre die Ratio leblos und steril. Erst beide zusammen machen ein menschenwürdiges Leben möglich.

Genau darum geht es Wolf Serno in seinen drei monumentalen Bänden über die Lehr- und Wanderjahre des Vitus von Campodios. Nicht die Propagierung des Unmöglichen, wie es so gern die Philosophie getan hat, sondern die Machbarkeit des Möglichen in Anbetracht des Wissens um die immanenten menschlichen Schwächen. Das Wissen um die Möglichkeiten der Vernunft einerseits, die Einsicht in die beschränkten Einflußmöglichkeiten des Individuums andererseits, das ist es, was Vitus und die ihm begegnenden Freunde im Geist miteinander verbindet.

Das Wissen um die menschliche Natur, ihre Stärke, aber auch ihre Fragilität, zeichnet einen Autoren wie Wolf Serno aus. Sie macht, in diesem dritten Band, aus Romanfiguren lebensechte Menschen, die den Respekt oder die Abscheu des Lesers hervorrufen. Wenn es in dem schnellen Literaturbetrieb unserer Tage noch Botschaften an den Leser gibt, dann in den Romanen von Wolf Serno. Der Mensch und sein Streben nach Wissen, sein Scheitern, aber auch seine Siege, bleiben das Maß aller Dinge.




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