Buchkritik -- Iain Pears -- Das Portrait

Umschlagfoto  -- Iain Pears  --  Das Portrait Kunst und Kritik befinden sich in einem ganz besonderen Spannungsfeld. Der Produktivität steht die Konsumtion gegenüber. Künstlerische Kontemplation trifft auf mediale Vermarktung. Kritiker und Künstler stehen in einer symbiotischen Beziehung, die sich in ihrem Kern niemals als echte und tiefe Freundschaft entwickeln kann. Zu verschieden sind die jeweiligen Prämissen, zu unterschiedlich die Intentionen. Das Werk und seine Beurteilung sind gegensätzliche Positionen, welche Intimität und Nähe ausschließen.

Iain Pears hat diesen Gegensatz in seinem überaus intelligenten Buch Das Portrait zu einem Machtkampf zwischen zwei Männern stilisiert. Henry Morris McAlpine, schottischer Abstammung war um das Jahr 1900 ein bekannter Künstler, der lange Zeit in Paris gelebt hat. Als erfolgreicher Portraitmaler zog er sich vom Kunstbetrieb zurück und lebte fortan auf einer bretonischen Insel. Hier spürte ihn sein ehemaliger Freund William Nasmyth auf und bat ihn, ein Portrait von ihm zu malen.

Dieser Wunsch ruft in McAlpine Erinnerungen an gemeinsam gelebte Zeiten zurück. Nasmyth, wohlhabend und als Kritiker äußerst einflussreich, war jahrelang der Freund und Mentor des Künstlers. In seiner Rückschau lässt er monologisch die Zeit seiner Jugend und seiner künstlerischen Entwicklung Revue passieren. Aus der Distanz von vielen Jahren wird eine Abrechnung mit seinem einstigen Weggefährten aber auch eine schonungslose Analyse des eigenen Schaffens.

Pears beschreibt den Weg eines von Geburt an mittellosen Menschen, dem es durch Willenkraft und Energie gelingt, sein Ziel zu erreichen. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an diesem Erfolg hat sein Förderer Nasmyth. Als junger und unbekannter Maler ist McAlpine geschmeichelt über das Interesse, das ihm entgegengebracht wird und bemerkt lange Zweit nicht, dass er sich damit auch in eine große Abhängigkeit begibt und manipuliert wird. Der Kritiker kann aufgrund seiner Macht, die er durch seine Stellung besitzt, Karrieren ebenso fördern wie vernichten. Skrupellos benutzt er seinen Einfluss, um bestimmte Kunstrichtungen zu verurteilen.

Das Wechselspiel zwischen künstlerischer Freiheit und der Abhängigkeit von positiven Kritiken ist das bestechende Sujet in diesem Roman. Der Leser muss allerdings schon einiges an Kunstverständnis und Kunstkenntnis mitbringen, wenn er in den vollen Genuss dieser Lektüre kommen will. Pears Roman ist nicht nur die große Schilderung der Malerei des frühen 20. Jahrhunderts, er ist ebenso eine Untersuchung darüber, welche schöpferische Kraft in einzelnen Personen steckt, die sich nicht vor dem scharfen Blick eines Kritikers zu fürchten braucht.

Die Rolle des Kritikers ist nach wie vor eine Zwiespältige. Einerseits kann er der Mittler zwischen einem neuen künstlerischen Blick sein, andererseits aber auch derjenige, der über den Geschmack einer ganzen Epoche entscheidet. Künstler und Kritiker werden niemals eine einfache Beziehung haben.




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