Die Masse

Über die Masse ist von prominenter Seite viel spekuliert, philosophiert und interpretiert worden. Le Bon sieht die Masse als Pöbel politischer Natur, José Ortega y Gasset verurteilt die Nivellierung des Geistes, die Verrohung des intellektuellen Aristokraten durch geistigen Massenkonsum, Freud sieht in der Masse die Identifizierung mit dem Übervater und für Dávila stellt sie modernen Abschaum dar.

Jedes dieser Attribute beschreibt das Phänomen Masse korrekt, dringt jedoch nicht zum Wesentlichen durch. Die Masse, das Pathos der handgreiflich gewordenen Ignoranz, ist das klassische Paradigma eines Versuchs zur Überwindung individueller Einsamkeit. Die momentane Blindheit gegenüber dem, was außerhalb der Masse geschieht, das fast willenlose Dahingleiten der Körper, all das ist der verzweifelte Versuch, sich in Beziehung zu anderen Individuen zu setzen, die eigene Leere zu überwinden. Aus diesem Grund ist jeder Außenseiter, jeder, der nicht „Masse“ ist, verdächtig und muss – schlimmstenfalls, fällt denn die letzte Hemmung – vernichtet werden. Denn der Außenseiter erinnert die Masse immer an eine gefährliche Möglichkeit – die Individualität.

Der nicht gebundene Mensch, der im positiven Sinn nicht fest gelegte Mensch (hier wird der Begriff „nicht festgelegt“ anders verstanden als von Gehlen konzipiert), ist die einmalige Chance, die Welt neu zu gestalten, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen und sich erst aufgrund dieses Wissens für irgendetwas zu entscheiden. Der freie Geist im Sinn von Nietzsche ist es, der jede Gesellschaft voranbringt.

Freie Geister und Individuen, die eine kritische Distanz zum polit-medialen Mainstream wahren, stehen in Deutschland unter Generalverdacht. Das sagt eigentlich alles über das System aus.

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