Warum ich Nagelstudiotussis nicht mag

In welchen Stadtteilen gibt es die größte Konzentration von Nagelstudios? Natürlich dort, wo die meisten  Hartz IV Empfänger wohnen. Es scheint aktuell ein ehernes Gesetz zu sein, dass, wo die offizielle Armut zu Hause ist, die Nachfrage nach getunten Nägeln am größten ist.

Morgens um zehn ist die Welt denn auch für Bezieher staatlicher Unterstützung die Welt wieder in Ordnung. Der Kater ist halbwegs ausgeschlafen, der GV-Partner nach erschrecktem Aufwachen aus der Wohnung komplementiert, die Kinder zwar zu spät, aber immerhin, wenn auch ohne Frühstück und Verpflegung in die Schule geschickt, so dass ein weiterer nutzloser Tag in Angriff genommen werden kann.

Der erste Weg führt dann auch in Uschis`s Nagelstudio. Ist das Wetter freundlich, steht schon ein Tisch mit Stühlen vor der Tür, ist das Wetter schlecht, wird der Kaffee eben im Laden getrunken. Die Hart IV Freundinnen sind schon da und begrüßen die Neuangekommene mit lautem Hallo.

Der verwunderte Betrachter dieser Szenerie stellt kurz eine Reflexion darüber an, ob die Hartz IV Sätze, wie so oft in den Medien zu lesen, wirklich zu niedrig sind. Immerhin sind die versammelten Schönheiten von Kopf bis Fuß nach der aktuellen Mode gekleidet. Dies soll im Umkehrschluss beileibe nicht heißen, das staatlich alimentierte Individuen in Lumpen herumlaufen sollen, doch die Diskrepanz zwischen offiziell gefühlter Armut und realem Aussehen ist mehr als deutlich.

Nach mehreren Tassen Kaffee und dreimal so vielen Zigaretten werden die Nägel verglichen. Obwohl es erst einen Tag her ist, dass sie poliert, lackiert, schutzlackiert, gepierct, gefeilt, gefärbt, getönt, geföhnt und allgemein herausgeputzt wurden, müssen sie, aufgrund der gefühlten Betriebsamkeit (Haushalt, Kinderbetreuung, Kochaktivitäten) der Trägerinnen schon wieder restauriert werden.

Die Betreiberin des Nagelstudios lässt schon mal den neuen Vorlagenkatalog herumgehen. Was für ein niedliches Anheben der Stimmchen: „Geil, supertoll, affenstark, guck mal hier und guck mal dort, ich nehm‘ die Steinchen zu 2 Euro das Stück, ich auch, aber dazu noch die Politur für 1,50 pro Nagel“.

Die Begeisterung kennt keine Grenzen. Der verwunderte Betrachter addiert mal kurz zusammen: Steinchen 10*2 gleich 20 Euro plus Politur 1,50 * 10 gleich 15 Euro, macht zusammen 35 Euro. Was vergessen? Ach ja, der Kaffee muss ja auch noch bezahlt werden. Nur die erste Tasse ist umsonst. Nur böse Zungen können jetzt noch behaupten, dass die Hartz IV Sätze zu niedrig sind.

Auf diese äußerst angenehme Weise geht der Vormittag unter allerhand Getratsche schnell vorbei und ehe sich die „Schönheiten“  versehen, kommen die Kinder aus der Schule. Da sie kein Frühstück genossen haben und die Schulstullen ebenfalls durch Abwesenheit glänzten, haben sie naturgemäß großen Hunger.

Doch, oh weh, die Mami hat nicht eingekauft. Also schnell 50 Cent aus dem Portemonnaie gezaubert und die Kinder zum gegenüberliegenden Chinesen geschickt, um etwas Reis mit Soße zu holen.

Merke: Wer die Nägel so akribisch pflegt, hat weder Zeit zum Einkaufen, noch zum Kochen. Oder frei nach Wilhelm Busch: „Es ist bekannt seit langer Zeit, wo sich ein Nagelstudio befind‘ ist der Chines‘ nicht weit“

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