Buchkritik -- Bernd Schuchter -- Rikolas letzter Auftritt

Umschlagfoto, Buchkritik, Bernd Schuchter, Rikolas letzter Auftritt, InKulturA Drei Männer, Emil Fuchs, Elias Canetti und Herbert Reichner, sitzen im Café Central und lästern über einen Mann, abseits sitzend, der ganz groß herauskommen wollte und der mit seiner Ambition, das erste österreichische Verlagshaus zu gründen und damit deutschen Verlagen Paroli zu bieten, gründlich gescheitert ist.

Richard Kola, ein Mann, heute würden wir sagen Finanzinvestor, der mit internationalen Bankgeschäften zu Reichtum gelangte, seine Investitionsgewinne unter anderem für den Kauf von Papiermühlen und Druckereien benutzte und, was lag näher?, mit diesen und dem von ihm geplanten Verlag, quasi als monetäres Perpetuum mobile, einen Kreislauf maximaler Gewinnoptimierung zu schaffen.

Doch mit dem Literaturbetrieb war und ist es ein merkwürdiges Ding. Quereinsteiger, also Fachfremde, auch oder gerade wenn sie über reichliche finanzielle Mittel verfügen, gelten im Milieu bestenfalls als dubios, ernten von den Etablierten lächelndes Mitleid hinter dem der menschlich, all zu menschliche Wunsch steht, der neue Konkurrent möge bald wieder in der Versenkung verschwinden.

Zusammen mit dem nicht weniger schillernden Camillo Castiglioni, ebenfalls Geschäftsmann und dazu Luftfahrtpionier, macht sich Kola daran, den Buchmarkt mit preiswerten Klassikerausgaben zu fluten und mit einem „Frauen-Almanach“ die Vorurteile der Kollegen zu bestätigen. Doch als er den aktuellen Roman „Felix Krull - Bekenntnisse eines Hochstaplers“ aus der Feder von Thomas Mann veröffentlicht, scheinen die Kritiker widerlegt zu sein. Als sein verlegerischer Coup, die Herausgabe von Hitlers zweiten Buches, am politischen Widerstand scheitert und sich eine mit extremen Risiken verbundene Spekulation als Fehlinvestition erweist, ist Kolas Schicksal und das seines Verlages besiegelt.

Bernd Schuchter hat mit seinem Roman das Porträt eines Mannes in einer Zeit politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wirren gezeichnet. Den Krieg war verloren, die Monarchie hat abgedankt und die Erste Republik befand sich durch Inflation und Massenarbeitslosigkeit auf der einen Seite und hemmungslose Verschwendungssucht der Eliten auf der anderen in einer fragilen Situation, die von findigen und windigen Geschäftsleuten für ihre Zwecke und Interessen genutzt wurde.

Alle, die monetär nicht auf Rosen gebettet sind, und das ist die überwiegende Mehrheit, träumen von Reichtum und Luxus. Einer von denen ist der Bürobote Pablo, den Kola fördert und ihn auch nach seinem Bankrott unterstützt. Seine Sekretärin, eine heimliche Sozialistin, hat ebenfalls einen Traum, für dessen Realisierung sie bereit ist, einiges über und in sich ergehen zu lassen. Ausgerechnet anlässlich einer Gala, auf der Kolas großes Buchprojekt vorgestellt werden soll, will sie mit einigen politischen Freunden für einen Eklat sorgen. Doch wie das Leben so spielt, scheitert ihr Plan an der Realität, denn die Genossen und Genossinnen werden zu Opfern von Dekadenz und Alkohol.

„Rikolas letzter Auftritt“ ist das stimmige Bild der Literatur- und Verlagsgeschichte Österreichs und einer Zeit, in der die Armen arm blieben, Finanzjongleure und Heuschrecken dagegen, von bekannten Ausnahmen abgesehen, immer reicher wurden. Das kommt einem doch irgendwie bekannt vor.




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Veröffentlicht am 14. Dezember 2019