Buchkritik -- Jay Tuck -- Evolution ohne uns

Umschlagfoto, Jay Tuck, Evolution ohne uns, InKulturA Ein Bestreben des Menschen ist es anscheinend, Gott spielen zu wollen. Ewig unzufrieden mit seiner Stellung im Kosmos, macht sich nicht nur die Naturwissenschaft daran, die Grenzen dessen, was möglich ist, immer weiter zu verschieben. Am weitesten fortgeschritten bei dem Versuch die Evolution in die eigenen Hände zu nehmen und künstliches Leben zu schaffen, ist derzeit die Computerbranche, deren Softwareingenieure sich längst daran gemacht haben, Programme zu entwickeln, die in der Lage sind, ihre Code selbstständig zu erweitern.

Diese Künstliche Intelligenz wird, so Jay Tuck in seinem Buch "Evolution ohne uns", bezüglich des Überlebens der Menschheit die Herausforderung der Zukunft sein. Was sich so alarmistisch anhört, erhält bei der Lektüre einen herben Dämpfer. Tuck zählt in erster Linie und mit viel Redundanz die aktuellen Möglichkeiten der IT-Branche auf. Gesichtserkennung, Personenverfolgung, individuell gezielt platzierte Werbung und pre-emptive prosecution - der Renner in den USA - sind nur einige Beispiele dessen, was technisch machbar ist und längst Realität geworden ist.

Hinter alldem stehen Datenbanken, die mit Algorithmen (siehe Google) programmiert sind, die die Verknüpfungen aus denen Big Data besteht, erst ermöglichen. Ob Zielerfassungssysteme von Drohnen oder Käuferbeeinflussungen, schon jetzt erstellen Computerprogramme Voraussagen und machen Handlungsvorschläge. Über den aktuellen Stand der Technik gibt der Autor dann auch ausführlich, sehr ausführlich Informationen.

Keine Verkehrslenkung, keine internationalen Warenströme, keine Navigation und kein Flugzeug wäre heutzutage in der Lage, ohne Hilfe von Computern zu funktionieren. Jeder Mensch, der an sog. sozialen Netzwerken teilnimmt, sorgt dafür, ob es ihm gefällt oder nicht, dass seine Person durchsichtig wird und seine Daten zu Zwecken genutzt werden, die sich dem Individuum entziehen. Das ist eines der Übel der Moderne und der Preis, den wir alle zahlen müssen, wollen wir informiert, unterhalten und geschützt werden.

Leider kommt der Autor trotz - oder wegen - seiner Fülle an Informationen nicht dazu, die hinter den Gefahren einer entfesselten KI stehenden Bedingungen zu schildern. Allein die Tatsache, dass Computerprogramme ihren Code verbessern können und dieser selbst für Spezialisten nicht mehr nachvollziehbar ist, kommt in dem Buch zwar als Alarmismus vor, doch auf nähere Erläuterungen wartet der Leser leider umsonst.

Computer werden mittels einer Programmiersprache gesteuert. Diese wird von Menschen geschrieben, kompiliert und von Maschinen ausgeführt. Wenn Computer die Programmierung weiterführen, geschieht das mit welchem Code und warum ist der für ausgewiesenen Experten nicht mehr nachvollziehbar? Das sind die Fragen, die den Leser interessieren und nicht seitenlange Anwendungsbeispiele für sog. Künstliche Intelligenz.

Dass, sollte es tatsächlich gelingen, im digitalen "Perpetuum mobile" eine Gefahr für die menschliche Rasse besteht, ist jedenfalls klar. Warum sollte eine uns weit überlegene Intelligenz Rücksicht auf - aus Sicht des Programms - Ameisen nehmen. Wie die technisch Überlegenen mit anderen, nicht so weit Entwickelten umgegangen sind, zeigt schließlich die menschliche Geschichte.




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Veröffentlicht am 24. September 2016