Buchkritik -- Koo van der Wal -- Die Wirklichkeit aus neuer Sicht

Umschlagfoto, Buchkritik, Koo van der Wal, Die Wirklichkeit aus neuer Sicht, InKulturA Längst ist eine Revision des aktuellen Naturverständnisses fällig. Das Unbehagen am mechanistischen Weltbild ist evident und offenbart sich nicht zuletzt in der zunehmenden Kritik am Umgang mit den natürlichen Ressourcen einerseits und der Auffassung, (Nutz)Tiere vornehmlich unter dem Aspekt industrieller Verwertbarkeit zu begreifen.

Die Natur ist, jedenfalls im tradierten Verständnis, ein lebloses und vom Menschen zu nutzendes Ding, das keinen eigenen Wert besitzt. Dieses Weltbild, das, wer könnte daran zweifeln, in die ökologische Krise geführt hat, bedarf dringend einer Neuinterpretation, zumal es neben den Verwüstungen der Umwelt auch Einflüsse auf das Sozialverhalten der Menschen hat.

Naturphilosophische Betrachtungen über den Zusammenhang zwischen Mensch, Umwelt und Kosmos haben unter Wissenschaftlern den Hauch des Anrüchigen, weil deren Ergebnisse weder in Statistiken noch in Formeln fixiert werden können. Koo van der Wal vertritt in seinem Buch "Die Wirklichkeit aus neuer Sicht" die Notwendigkeit einer Renaissance, einer Wiederentdeckung eben dieser Naturphilosophie, die, gestützt auf neueste Erkenntnisse nicht nur in der Quantenmechanik, zu einem, u. a. ökologischen Umdenken führen muss, soll das Überleben auf diesem Planeten auch in Zukunft sichergestellt sein.

Nach einem historischen Exkurs bezüglich des prämodernen-mythischen Wirklichkeitsbildes, das zwischen Mensch und Umwelt, zwischen Natur und Individuum keine strikte Trennung vollzog, untersucht der Autor, so die Überschrift eines Kapitels "Die Naturvergessenheit der modernen Philosophie". Nicht erst seit Descartes, sondern als Erbe unseres griechisch-jüdisch-christlichen Weltverständnisses, das die Natur als seelenlos und inert definiert, zieht sich die Trennung zwischen Homo Sapiens und "der Welt da draußen" wie ein roter Faden durch die (Geistes)Geschichte.

Doch dieses Bild erhält immer mehr Risse. Die mechanistische Vorstellung eines geschlossenen Systems, das sich gemäß festgelegter Regeln entwickelt, wird von immer mehr Wissenschaftlern bezweifelt. So sind die Phänomene "Leben" und "Geist" ohne den Begriff der Emergenz - die Entfaltung von neuen Eigenschaften oder Strukturen infolge des Zusammenspiels seiner Elemente, die nicht auf Eigenschaften der einzelnen Elemente zurückzuführen sind - nicht umfassend zu verstehen.

Van der Wal verweist zu Recht darauf, dass die Trennung zwischen Tatsachen und Werten, letztere werden ausschließlich dem Menschen zugesprochen, ein fundamentaler Irrtum ist, der mit dafür verantwortlich ist, dass der Raubbau an der Natur erschreckende Ausmaße angenommen hat. Erst das Bewusstsein für die intrinsischen Eigenschaften der uns umgebenden Natur, in der der Mensch eben nicht mehr das Maß aller Dinge ist, wird es, fern jeder teleologischen Interpretation, ermöglichen, einen anderen, von Respekt und Verantwortung dominierten Umgang mit der Welt zu gestalten.




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Veröffentlicht am 4. November 2017