Buchkritik -- Gary Victor -- Im Namen des Katers

Umschlagfoto, Buchkritik, Gary Victor, Im Namen des Katers, InKulturA Er ist, gemessen am europäischen Wertesystem, kein guter Mensch. Er trinkt, hurt und tötet. Doch in Haiti gelten nun einmal andere Spielregeln, nach denen Inspektor Dieuswalwe Azémar handelt und deshalb gehört er dort zu den wenigen, die sich verzweifelt darum bemühen, das Leben in dem Karibikstaat für die ehrlichen und fleißigen Menschen ein wenig erträglicher und sicherer zu machen.

Während seiner Ermittlungen bezüglich eines Serienmörders, der es auf Menschen abgesehen hat, die, wie der Inspektor, gern dem kleren, dem haitianischen Zuckerrohrschnaps zusprechen und, nicht wie der Inspektor, dazu gerne als kulinarische Finesse Katzenfleisch genießen, erhält er von seinem Vorgesetzten den Befehl, sich diskret um das Verbleiben von Georges kümmern, den eine Dame aus der gehobenen haitianischen Gesellschaft als vermisst gemeldet hat. Sein Widerwille gegen diesen Auftrag wird zusätzlich gesteigert, als er erfährt, wer der Verschwundene ist. Doch die Anzahlung auf eine großzügige Belohnung seitens der Auftraggeberin, sollte der Vermisste wohlauf gefunden werden, motivieren den Inspektor, muss und will er doch seine in den USA lebende und über alles geliebte Tochter Mireya finanziell unterstützen.

Als wenn das noch nicht genug wäre, kämpft Azémar auch gegen seinen eigenen Dämon, der, ihm wurde vom Magier Ladeng ein garde – eigentlich ein Schutzgeist – unter die Haut des Arms genäht, sich jedoch als dunkle Macht entpuppt, die durch wiederkehrende Alpträume dem Inspektor prophezeit, dass er nach Ablauf von sechs Tagen eine Frau töten würde. Keine guten Voraussetzungen also für den, gemessen an den moralischen Standards seiner Kollegen, integren Ermittler.

„Im Namen des Katers“ ist der mit Abstand finsterste Roman um den bei seinen Vorgesetzten verhassten, bei den jüngeren Kollegen jedoch beliebten Polizisten – was freilich die Ausflüge letzterer ins Reich der Korruption nicht verhindert. Gary Victor versteht es einmal mehr, mit einem Kriminalroman die haitianischen Zustände zu brandmarken und den Lesern und Leserinnen das Panoptikum eines gescheiterten Staates zu präsentieren, in dem die Reichen und Schönen sich anmaßen, auf Kosten anderer, weniger privilegierter Bürger zu leben.

Neben sich schamlos bereichernden Politikern tummeln sich zahlreiche sog. NGO´s im Land, die jedoch, wie alle dort tätigen Unternehmen nur eines im Sinn haben – die schnelle und rücksichtslose Maximierung ihres Profits. Dabei hinterlassen sie verbrannte Erde und es ist kein Wunder, dass Dieuswalwe Azémar sich deren Methoden bedient, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

So entwickelt sich dann auch seine Suche nach Georges zu einem persönlichen Alptraum, der droht, die Kräfte des Polizisten zu übersteigen, denn hinter dem Verschwundenen sind ebenfalls andere interessierte Kreise her, und deren Gewaltpotenzial ist beträchtlich. Was also bleibt Azémar anderes übrig, als einmal mehr nach ihren blutigen Regeln zu spielen?

„Im Namen des Katers“ ist sowohl ein hervorragend konstruierter Kriminalroman als auch eine Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Zuständen Haitis, die die Leser einmal mehr erschüttern dürften. Hoffentlich, so der Wunsch des Rezensenten, lässt Gary Victor diesen „bad Cop“ trotz seiner ungezügelten, böse Zungen würden von Sucht sprechen, Vorliebe für harte lokal produzierte Spirituosen recht lange am Leben, denn die Figur des Dieuswalwe Azémar sorgt ihrerseits beim Lesepublikum für Suchtgefahr.




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Veröffentlicht am 28. Januar 2019