Buchkritik -- „Wenn es bei uns so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?“

Umschlagfoto, , InKulturA Ein falscher Satz, falsch freilich nur nach den Maßstäben der Hohepriester politischer Korrektheit, und schon ist die mediale Aufregung groß, die Demokratie in Gefahr und der Rechtsstaat von „rechts“ bedroht. Der Stein des Anstoßes, der Grund für gutmenschliche Empörungswellen war die Frage eines Strafrichters in Zwickau an die Adresse eines mehrmals als gewalttätig aufgefallenen libyschen „Flüchtlings“, der, als er nach Verübung zahlreicher Straftaten endlich dem Richter vorgeführt wurde, das Land, das ihm Schutz, Unterkunft, medizinische Versorgung, Vollpension und Bargeld gewährt, als „Scheißdeutschland“ beschimpfte, „Wenn es bei uns so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?“

Während des Prozesses gegen eines der Merkelschen Goldstücke und der zweifelsohne dringend benötigten Fachkraft saß ein Reporter eines unter Auflagenschwund leidenden Presseerzeugnisses im Gerichtssaal und brachte diese „unerhörte“, von Bahnhofsklatschern, „Refugees Welcome“ Jublern und der gesamten Sozialmafia als zynisch, menschen- und fremdenfeindlich gewertete Frage unter das stets nach „rechtseskalierenden“ Sprüchen hechelnden „Wir sind mehr“ Publikum.

Ende 2017 stellte Stephan Zantke, besagter Strafrichter in Zwickau, diese an sich vollkommen normale Frage, wohl ohne sich in diesem Augenblick des europaweiten Echos bewusst zu sein – warum auch? Schließlich soll doch in einem Prozess die Wahrheit ans Licht gebracht werden. Wenn also ein Rentensicherer wie Abdul K. – Name wahrscheinlich geändert – erst nach mehreren Straftaten vor Gericht gestellt wird und von einem „Scheißdeutschland“ spricht, darf eine Nachfrage des Richters, warum er sich denn in diesem Land aufhält, nicht verboten sein.

Was neben der medialen Aufregung geschah, entglitt leider der öffentlichen Aufmerksamkeit. Abdul wurde zu 30 Monaten Haft verurteilt, sein Verteidiger legte Berufung ein, Abdul, die Fachkraft, wurde vorerst auf freien Fuß gesetzt und ist seitdem mit unbekanntem Ziel verreist. Seitdem gilt Stephan Zantke als richterlicher Hardliner.

In seinem Buch, das als Titel seine inzwischen berühmt gewordene Frage trägt, berichtet er neben Causa Abdul über neun weitere Alltäglichkeiten eines Strafrichters und siehe da, nichts mit „Richter gnadenlos“. Vielmehr zeigen die von ihm verhandelten Prozesse eine Rechtsprechung, die in vielen Fällen große Diskrepanzen zum Rechtsverständnis der Bürger aufweist.

Als Hardliner, wie er seitdem bezeichnet wird, sieht sich Zantke nicht. Das unterstreichen auch seine Urteile, die immer, wie er es ausdrückt, von einem Mann geprägt sind, "...der bis heute mit sich ringt, wie er Recht sprechen und Gerechtigkeit walten lassen kann". Beim ersten Mal gibt es den erhobenen Zeigefinger, beim zweiten Auftritt eines Straftäters vor Gericht eine etwas härtere Gangart und erst beim dritten Mal schlagen die Paragraphen zu.

Nicht jeder Bürger versteht das, doch seit der antiautoritären Kuschelpädagogik ab der späten 60`er Jahre, die auch vor der Rechtsprechung nicht Halt machte, stehen zweite und dritte, manchmal, wie vornehmlich bei Straftätern, auch intensivster Art, die, um ein geflügeltes Wort unserer geliebten GröKaZ zu benutzen, „noch nicht so lange hier leben“, oder die, wie es die in kulturmarxistischen Kreisen beliebte Argumentation ist, für die Bewertung ihrer Straftaten ein „kultursensibles“ Verständnis brauchen, oder auch zwanzig bis dreißig weitere Chancen, hoch im Kurs. Wie gesagt, nicht jeder versteht das.

Um auf das von Zantke angesprochene Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit zurückzukommen: es ist, so wird es zumindest in den neun weiteren von ihm geschilderten Prozessen klar, durchaus nicht immer einfach beides miteinander zu vereinen. Individuelle Sozialisation findet immer auch im öffentlichen Raum statt. Familie, (falsche) Freunde, Zufälle und Umstände prägen einen Menschen, und nicht jeder hat die Kraft, die Fähigkeiten oder Möglichkeiten, sein Lebensweg, seine Zukunft und sein Schicksal selber in die Hand zu nehmen.

Ohne Frage sind die Beweggründe, die Motive und Auslöser einer Tat mitentscheiden für eine Urteilsfindung, das beweisen die oft tragischen Lebensgeschichten der von Zantke geschilderten Personen. Doch der Bürger verlangt zurecht vom Staat Schutz vor, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch genannt werden, „polizeibekannten Straftätern“.

Es liegt ein schmaler Grat zwischen Recht und Gerechtigkeit, da ist Stephan Zantke zuzustimmen, doch manchmal, nein oft, werden Urteile gesprochen, die, ich formuliere es vorsichtig, den Bürger dazu zwingen, seine Faust in der Tasche zu behalten. Seien wir ehrlich, einen „Richter gnadenlos“ gab es zuletzt nur beim NSU-Prozess.

Fazit: die Aufregung um Stephan Zantkes Frage war die Hype nicht wert, mit der diese Sau durchs mediale Dorf getrieben wurde. Das beweisen die anderem vom ihm gefällten Urteile, denn die sind eigentlich juristischer Mainstream, alltägliche Rechtsprechung in Deutschland. Und die kann man gut finden oder auch nicht.




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Veröffentlicht am 31. Januar 2019