Über die hypothetische Heiligsprechung politischer Empfindlichkeiten
Man stelle sich ein Deutschland vor, das sich entschlösse, endgültig erwachsen zu werden — erwachsen im Sinne jener empfindlichen Sorte Erwachsensein, die bereits bei einem gehauchten Kichern die Würde des Amtes in Gefahr wähnte. Und so könnte es geschehen, dass der § 188 StGB, bislang ein eher stiller Paragraph im Strafgesetzbuch, plötzlich eine Renaissance erlebte, weil jemand auf die Idee gekommen sein könnte, er müsse „geschärft“ werden.
Es könnte dann darin stehen, dass das Lachen über Politiker nicht nur schlechtes Benehmen, sondern künftig eine strafbare Respektlosigkeit wäre. Man würde erklären, der berühmte „öffentliche Spott“ könne die „Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen“ gefährden — vermutlich weil Demokratie im Jahr 2025 so zerbrechlich wie ein Aktendeckel aus nassem Karton sein dürfte.
Die Erweiterung würde also festlegen, dass selbst ein subtiles Kichern in Hörweite einer politischen Person geeignet sein könnte, ihr Wirken „erheblich zu beeinträchtigen“. Ein Satz, der wie gemacht wäre für ein Wandtattoo über dem Schreibtisch eines hypersensiblen Abgeordneten.
Man könnte dann erleben, wie Pressestellen eilends Verhaltensregeln verschickten:
„Bitte im Plenum ausschließlich mit ernster Grundmiene erscheinen. Freude, Heiterkeit oder sonstige Stimmungen, die auf menschliche Lebendigkeit hindeuten könnten, sind künftig zu unterlassen.“
Kabaretts würden prophylaktisch auf Choräle umstellen, um nicht versehentlich ein staatszersetzendes Gelächter zu provozieren. Polit-Talkshows hätten Sicherheitspersonal, das an den Türen nicht nach Waffen, sondern nach Humor tastete. Und Bürger würden sich im Alltag angewöhnen, Lächeln nur noch im Privaten auszutauschen — so wie früher Zigaretten im Osten: hinter vorgehaltener Hand.
Natürlich könnte die Politik das alles mit der üblichen gravitätischen Ernsthaftigkeit begründen: Die demokratische Kultur dürfe nicht erodieren. Und was erodiere sie schneller als ein unbotmäßiges „Pffft-haha“ an der falschen Stelle?
Aber die eigentliche Pointe wäre diese: Eine Demokratie, die sich vor dem Lachen schützen zu müssen glaubt, müsste sich ernsthaft fragen, ob sie nicht eher vor sich selbst geschützt werden sollte.
Am Ende würde der Staat vielleicht sogar ein neues Ordnungswidrigkeitentatbestandchen schaffen: § 188a OWiG – „Unbeabsichtigtes Schmunzeln über politische Vorgänge“.
Bußgeld: 50 Euro, ermäßigt bei Ersttätern, erhöht bei Wiederholung oder sichtbarem Grinsen.
Und das alles nur, weil ein paar Menschen im falschen Moment gelacht haben könnten.