Buchkritik -- Alex Capus -- Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

Umschlagfoto, , InKulturA Im November 1924 kreuzen sich im Zürcher Hauptbahnhof die Wege von drei Menschen. Sie nehmen sich gegenseitig nicht wahr und auch in der Zukunft werden sie sich nicht mehr begegnen. Diese fiktive Begegnung ist der Ausgangspunkt in Alex Capus neuem Roman "Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer".

Da ist Felix Bloch, ein Jüngling, intelligent, aber nicht´bereit, sein Leben in den Dienst der "Maschine", für ihn ein Symbol des allumfassenden Machtanspruchs des Staates, zu stellen. Die Folgen des Ersten Weltkriegs wirken in Europa noch nach und Felix will sein zukünftiges Leben fern von Politik und Krieg führen.

Da ist die nur unwesentlich jüngere Laura d'Oriano, die, zusammen mit ihrer Familie von Istanbul her kommend, mit dem Orient-Express über Zürich nach Marseille reist. Ein Teenager in einer Familie, die mit Auftritten in Varietétheatern ihren Lebensunterhalt bestreitet.

Da ist der bereits 40-jährige Maler Emile Gilliéron, der, aus der Westschweiz stammend, sich auf dem Weg von Athen nach Villeneuve am Genfersee befindet, wo er seinen Vater bestatten will. Vater und Sohn haben ein einzigartiges künstlerisches Talent, das sie mit zwei Archäologen, Heinrich Schliemann und Arthur Evans, in Kontakt bringt, für die sie meisterhaft, aber mit viel historischer Phantasie, Ausgrabungsobjekte für die Griechenlandhype der damaligen Kunst- und Museumsszene produzierten.

Drei Menschen und drei Leben, die bis auf eine fiktive Begegnung nichts miteinander zu tun haben, werden von Alex Capus meisterhaft in seinem Roman beschrieben. Wie immer bei diesem Autor, sind die Figuren Personen, die tatsächlich gelebt haben. Darüber hinaus jedoch versteht es Capus wieder einmal, diese individuellen Leben so geschickt in seinem Roman zu kombinieren, dass es für den Leser ein Genuss ist, an den Lebenswegen dieser Menschen teilzuhaben.

"Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer" ist jedoch viel mehr als nur die Erzählung von drei Personen und der Zeit in der sie lebten. Es ist auch die Geschichte individuellen Scheiterns, die Alex Capus ohne falsches Pathos, aber mit großer Sensibilität schildert.

Felix Bloch, der Junge, der sich niemals in den Dienst der "Maschine" stellen wollte, findet sich auf einmal beim Manhattan-Projekt wieder, bei dem er unter der Leitung von Robert Oppenheimer einen wesentlichen Anteil am Bau der ersten Atombombe hat.

Laura d'Oriano, die Frau, die sich niemals den Konventionen unterwerfen wollte und aus der Enge der bäuerlichen Welt ihres Ehemannes flüchtet, in die sie die finanzielle Not getrieben hat, wird von der französischen Résistance im Zweiten Weltkrieg zur Spionage gegen Italien gezwungen.

Emile Gilliéron, der eigentlich nur seine Fähigkeit als Zeichner unter Beweis stellen wollte, hatte gegen Ende seines Lebens die gesamte Kunst- und Historikerzunft gegen sich.

Alex Capus erzählt von diesen drei Lebenswegen, es hätten genauso gut drei Romane werden können, mehr oder weniger anhand der Faktenlage, Wenn er die doch einmal verlässt, dann weist er seine Leser darauf hin, dass es hätte vielleicht so geschehen können.

Wie in allen herausragenden Romanen, stellt auch hier der Autor die große lebensphilosophische Frage, wie Leben gelingen kann. Ist es möglich, persönliches Glück, Erfolg und Zufriedenheit in Zeiten des Wandels und der politischen Wirren zu erreichen oder ist dieses Streben sogar in ruhigen Zeiten ein Wunsch, der niemals in Erfüllung geht?

Die drei beschriebenen Lebenswege geben darauf eine pessimistische Antwort - Alex Capus erzählt eben aufgrund historischer Fakten.




Meine Bewertung:Bewertung