Buchkritik -- Harald Bloom -- Die Kunst der Lektüre

Umschlagfoto  -- Harald Bloom  --  Die Kunst der Lektüre Aus welchem Grund kauft man Bücher? Sehen wir einmal von wissenschaftlichen Büchern ab, die meist ohnehin nur der Fachmann liest, so kann es ein besonderer Einband sein, ein gelungenes Photo, eine ansprechende Zeichung, oder natürlich nicht zuletzt ein interessanter Titel. Letzteres war bei dem folgend besprochenen Buch bei mir der Fall.

Ich stöberte in einer Buchhandlung herum und stieß auf das Buch von Harold Bloom "Die Kunst der Lektüre. Wie und warum man lesen sollte". Da mich zur Zeit genau die gleiche Frage beschäftigt, kaufte ich es in Erwartung, diese Frage zufriedenstellen beantwortet zu bekommen. Leider wurde ich enttäuscht.

Im Vorwort gibt Bloom die Richtung seiner Argumente vor:"Dieses Buch lehrt wie man lesen soll und warum..." . Soweit, so gut. Das was folgt ist jedoch eher ein Anthologie seiner eigenen, für den europäischen Leser nicht immer nachzuvollziehenden literarischen Vorlieben. Bloom, ein anerkannter Fachmann für das Werk und Leben von William Shakespeare, bezieht alle seine besprochenen Werke hauptsächlich auf ihn, da er, wie Bloom weiter ausführt, der erste Dichter war, der dem Menschen in der Dichtung einen individuellen Charakter gab.

Darüber kann man diskutieren, doch dem hier besprochenen Buch, bzw. seinem Leser hilft diese Feststellung erst einmal nicht weiter. Im Gegenteil, es ist ermüdend, immer wieder die Bloom`sche Formel des "Shakespearehaften" bei Herman Melville, Thomas Mann oder Ernest Hemingway zu lesen. Bloom unterteilt seine angebliche Aufklärung darüber, wie und warum wir lesen sollten zwar sehr geschickt in vier Teile: Gedichte, Kurzgeschichten, Stücke und Romane, doch seine Interpretationen unterscheiden sich gewaltig von denen des Verfassers dieser Zeilen. Als Beispiel soll hier die Bloom`sche Interpretation des Hans Castorp aus Thomas Manns "Zauberberg" dienen. Diese Figur, die Thomas Mann bewußt als einen "einfachen, farblosen jungen Menschen" anlegt, wird von Bloom als ein durchaus an seiner Zeit interessierten und sich weiter entwickelnden Menschen geschildert. Keine Interpretation könnte weiter von dieser Person entfernt sein. Hans Castorp ist ein ignoranter, lethargischer Vertreter des nach dem ersten Weltkrieg, in den er ja mit ungewissem Ausgang zieht, aussterbenden selbstzufriedenen Mittelklassebürger.

Eine ebenso fehlgehende Interpretation gibt Bloom von Kapitän Ahab aus Herman Melville`s "Moby Dick" . Bloom bezeichnet ihn als den Vorläufer aller "amerikanischen Suchenden". Auch dies geht an der Intention dieser Figur vorbei. Ahab ist der Verführer, der Demagoge, dem es gelingt, der Mannschaft seinen eigenen Willen aufzuzwingen. Er ist der Vorläufer des politischen Agitators des Massenzeitalters.

Wenn Bloom behauptet, das er seinen Lesern verraten will wie und warum man lesen soll, dann erreicht er sein Ziel nicht. Es ist wohl vielmehr eine Auswahl seiner Lieblingsautoren, immer in Bezug auf den von ihm sehr verehrten Shakespeare. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, doch geht leider am Titel vorbei.

Es wird kein Leser dieses Buches nicht schon wissen, weshalb und wie er liest. Die Frage hat jeder Leser für sich schon entschieden. Für Bloom haben ausschließlich die Werke Bestand, die keinen gesellschaftspolitischen Kontext haben. Schon diese Aussage ist mehr als fragwürdig, denn danach dürften z. B. "Die Weber" von Gerhard Hauptmann schon der Vergessenheit anheim gefallen sein. Das dem nicht so ist und das es eine ganze Reihe von Werken gibt, die gesellschaftpolitische Feststellungen machen und die trotzdem alles andere als ephemer sind, ist offensichtlich.

Bis auf wenige Ausnahmen sieht Bloom in der Literatur ausschließlich die anglo-amerikanische Tradition mit dem Ursprung William Shakespeare. Das ist schade, weil es die Vielfalt unterschlägt, welche die wirkliche Weltliteratur anzubieten hat. Literatur von Weltrang behandelt im Prinzip immer wieder das gleiche Thema. Es ist das menschliche Streben nach Vergöttlichung, welches ihn immer aufs neue in Konflikt mit sich und seinem sozialen Umfeld bringt. Dieser Konflikt wurde nicht erst von Shakespeare beschrieben, sondern er ist so alt wie die Literatur selber.

Harold Bloom hat ein großes Thema verschenkt.




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