Buchkritik -- Hermann Detering -- O du lieber Augustin

Umschlagfoto, Hermann Detering, O du lieber Augustin, InKulturA Es gehört eine Menge Mut dazu, als Wissenschaftler, auch und gerade als Religionswissenschaftler, sich gegen den quasi amtlich anerkannten Kanon gültiger Meinung zu wenden und damit an tradierten Wissensritualen zu rütteln. Auch in den exakten Wissenschaften kann es für einen Forscher ein Karriererisiko darstellen, sich der etablierten Meinung entgegenzustellen; um wievielmal größer ist dann dieses Wagnis in einem so sensiblen Bereich wie der Religion, in der es mehr um Interpretation als um Addition oder Subtraktion geht?

Einer der es versteht, mächtig ins Fettnäpfchen zu treten, ist der Radikalkritiker und Autor Hermann Detering, der sich in seinem Buch "O du lieber Augustin" an eine christliche Gallionsfigur heranwagt, Augustinus von Hippo, einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike. Dessen "Bekenntnisse" gehören zu den wichtigsten und einflussreichsten Schriften der Kirchenliteratur und sind Bestandteil des weltliterarischen Kanons.

Detering hat diesen autobiographischen Text jetzt einer akribischen Untersuchung unterzogen und deren Ergebnis scheint die von einigen Forschern zaghaft vertretene Meinung zu bestätigen, dass die Schrift nicht immer in Übereinstimmung zu bringen ist mit dem wirklichen Lebensweg des Kirchenlehrers. Der Autor weist dann auch pointiert auf diese Widersprüche hin, die, auch unter Berücksichtigung dramatischer Veränderungen im Lebensweg des Kirchenlehrers, Zweifel an dessen Autorschaft erwecken.

Die "Bekenntnisse" sind, so das Fazit Deterings, stilistisch und inhaltlich eher das Produkt eines klösterlicher Skriptoriums des Mittelalters und weniger das einer Schreibstube der Antike.

Seine These untermauert der Autor mit zahlreichen Belegen und versteht es dabei ausgezeichnet, einen für religionswissenschaftliche Laien eher spröden Sachverhalt spannend und nachvollziehbar zu gestalten.

Wem Hermann Detering die Autorschaft der "Bekenntnisse" zuweist, dass muss der interessierte Leser allerdings selber herausfinden. Die Lektüre des Buches "O du lieber Augustin" ist ohne Zweifel auch für Menschen mit kritischer Distanz zur Religion empfehlenswert.




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Veröffentlicht am 6. April 2015