Buchkritik -- Thomas Böhm -- Die manipulierte Evolution

Umschlagfoto, Thomas Böhm, Die manipulierte Evolution, InKulturA Die Menschheit des 21. Jahrhunderts ist stolz auf ihren wissenschaftlichen, technologischen und medizinischen Fortschritt. Eine noch vor wenigen Jahrzehnten nicht gekannte Mobilität verkleinert die gefühlten Dimensionen des Planeten. Die digitale Vernetzung erlaubt die globale Echtzeitkommunikation, von der die Generation "Füllfederhalter" nur träumen konnte. Krankheiten, die Jahrhunderte lang die Geißel der Menschheit gewesen sind, wurden aufgrund des medizinischen Fortschritts nahezu ausgerottet. Die Beulenpest, der "Schwarze Tod", ist besiegt, Infektionen müssen kein Todesurteil mehr sein und die Lebenserwartung der Menschen - jedenfalls die der in den Industrieländern lebenden - ist enorm gestiegen.

Wir haben uns so an diese Entwicklung zum vermeintlich Besseren gewöhnt, dass uns anscheinend vollkommen das Bewußtsein für die stete Gefährdung menschlicher Existenz verloren gegangen ist. Doch in welchem Maß greift gerade diese Entwicklung ein in den genetischen Code des Menschen? Gibt es überhaupt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen menschlicher Evolution und naturwissenschaftlich-technischem Fortschritt?

Thomas Böhm hat dieser Frage ein Buch gewidmet, dass, sehr gut lesbar auch für wissenschaftliche Laien, sich damit beschäftigt, inwiefern gerade gesellschaftliche Faktoren und medizinische Erfolge dafür sorgen, dass sich die menschliche Evolution in eine Richtung bewegt, die vielleicht zu einer Gefahr, zumindest aber zu einer fatalen Veränderung des genetischen Buches des Menschen führen kann

"Die manipulierte Evolution" ist ein Buch, das auf die Veränderungen hinweist, die unzweifelhaft mit dem aktuellen Entwicklungsstand der Menschheit korrespondieren. So hat, seit längerem bekannt, der massenhafte Einsatz von Antibiotika zu einer Vermehrung dagegen resistenter Bakterien geführt, deren Existenz, besser ausgedrückt, deren Anpassung durch Mutation, zu einer ernst zu nehmenden Gefahr für die weitere Behandlung davon betroffener Patienten geworden ist.

Thomas Böhm zeigt in seinem Buch viele Beispiele dafür, wie es gerade der vermeintliche Fortschritt ist, der gravierend dafür Sorge trägt, dass der genetische Code des Menschen künstlich verändert wird. So sorgt z. B. der, ausschließlich in den reichen Ländern zunehmende, immer weiter nach hinten - bezüglich des Lebensalters der Eltern - gerückte Geburtstermin des ersten Kindes für eine vergrößerte Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Schizophrenie bei den nachfolgenden Generationen.

Auch die immer weiter fortschreitende Zunahme von Übergewicht oder Suchtkrankheiten sind dafür verantwortlich, dass sich die genetische Entwicklung sukzessive in eine Richtung bewegt, deren Verlauf uns eines Tages vielleicht vor gravierende Probleme stellen wird.

Der Autor, langjährig tätig in der Kebsgrundlagenforschung, zeigt die Wechselwirkung zwischen Evolution, Medizin und Gesundheit, in deren Abhängigkeit der Mensch sich bewegt. Die Evolution ist opportunistisch und Teleologie ist keine Dimension mit der man die genetische Entwicklung des Menschen beschreiben oder betrachten kann. Deshalb ist es wichtig, und Thomas Böhm weist vollkommen zu Recht darauf hin, dass sich die Gesellschaft eher früher als später der Frage stellen muss, wie weit bereits jetzt gesellschaftliche Entwicklungen - er nennt hier besonders Krebs- und Antibiotikatherapien, aber auch Familienplanung und künstliche Befruchtung - für die Veränderung des genetischen Codes verantwortlich sind.

Die Antworten darauf werden nicht zuletzt auch politische Konsequenzen haben müssen. Doch für eine Diskussion dieser Art, ist die Zeit anscheinend noch nicht reif.




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