Buchkritik -- Peter Sloterdijk -- Die schrecklichen Kinder der Neuzeit

Umschlagfoto, Peter Sloterdijk, Die schrecklichen Kinder der Neuzeit, InKulturA Peter Sloterdijk, seit dem Erscheinen seiner "Kritik der zynischen Vernunft" das Enfant terrible der deutschen Salonsozialisten und Gutmenschenfraktion, hat in seinem aktuellen Werk nichts weniger als das Ende der (westlichen) Zivilisation beschrieben. Der Bruch zwischen den Generationen kann nicht mehr repariert werden. An die Stelle sinnvollen Handelns ist Getriebenheit und Ratlosigkeit getreten.

"Nach uns die Sintflut", dieser Spruch der Madame de Pompadour anläßlich der Niederlage der Franzosen gegen die Preußen unter König Friedrich dem Großen in der Schlacht bei Roßbach, ist das Leithema des Sloterdik´schen Kulturpessimismus und, so sieht es zumindest der einzige bedeutende deutsche Philosoph, auch das leidige Motto der Moderne.

Die Kontinuität der Generationenfolge, die in der Übernahme und der Weiterführung des Bewährten liegt, ist unterbrochen. Egoismus, Ziel- und Zügellosigkeit sind die zerstörerischen Kräfte, die die Neuzeit bestimmen. Verloren gegangen ist das generationsübergreifende Denken mit den sich daraus ergebenden Verpflichtungen zur Bewahrung des Alten und der gleichzeitigen Pflicht zur Anpassung an die Zukunft.

Die (westliche) Welt ist in die Falle derjenigen geraten, die, unter dem Deckmäntelchen der Weltverbesserer und der "Reichtum für alle" Verkünder, ohne Skrupel Millionen Menschen auf die Schlachtbank geführt haben und an die Stelle der Bewahrung des Bewährten das niemals einzulösende Versprechen von einer neuen, besseren und gerechteren Welt gemacht haben, die natürlich zuerst mit dem Blut der Menschen bezahlt werden muss und erst auf deren Gräbern errichtet werden kann. Nicht umsonst waren die größten Ideologien des 20. Jahrhunderts auch die größten Totengräber der Menschheitsgeschichte.

Es sind die Abkömmlinge aus zweifelhafter Abstammung, die Außenseiter und moralisch fragwürdigen Personen, die sich an die Spitze der Revolutionen gestellt haben - auch gespült wurden - und die durch ihren Hass auf eine funktionierende Generationenfolge Unheil und Chaos - immer unter der Flagge der Weltverbesserung - angerichtet haben.

Der Mensch der letzten zwei Jahrhunderte ist, so Sloterdijk, ein Provisorium, das nach dem skandalösen Hiatus, beginnend mit der Französischen Revolution, also dem Bruch mit überlieferten Denk- und Lebensweisen, von Scheinlegitimitäten bestimmt wird.

Das alles verpackt Sloterdijk, historisch weit ausholend und mit gewohnt anspruchsvoller Stilakrobatik, in einer historisch-philosophischen Abrechnung mit dem herrschenden Zeitgeist, der sich, gespeist aus den scheinbaren Progressivitäten angewandter Ideologien politischer und wirtschaftlicher Couleur, zum Totengräber der westlichen Kultur entwickelt hat.

"Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" will keine Lösungen anbieten, aus dem einfachen Grund, weil es keine Lösungen mehr gibt für die Sackgasse, in die sich die westliche Welt begeben hat. Während andere noch feiern ob der grandiosen Entwicklung, die seit Erfindung der Digitaluhren vonstatten gegangen ist, ist für Peter Sloterdijk die Moderne an ihrem selbstverschuldet-tragischen Ende angelangt.

Sloterdijk: "Was man seit der Romantik als die Spießbürger verspottet, sind aus kulturtheoretischer Sicht die namenlosen Helden der Kontinuität."

Die Sintflut der Madame de Pompadour hat uns längst erreicht.




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Veröffentlicht am 30. August 2014