Buchkritik -- Hellmut Diwald -- Wallenstein

Umschlagfoto  -- Hellmut Diwald  --  Wallenstein Die Geschichte hat das Bestreben, bestimmte Personen mit dem zweifelhaften Attribut "Groß" zu belegen. Mehr oder weniger sind es bisher Feldherren, bzw. Militärs jeglicher Couleur gewesen. Man denke an Alexander den Großen, an Napoleon, usw. In diese Kategorie wird im allgemeinen auch der bekannteste Heerführer des 30-jährigen Krieges eingeordnet.

Die monumentale Biographie von Hellmut Diwald unternimmt den Versuch, sich dieser schillernden und widersprüchlichen Figur zu nähern. Viele Bücher wurden bisher zum Thema Wallenstein geschrieben. Sie alle gingen in die Falle der Polarisierung. Die Gestalt des Wallenstein ist emotional besetzt wie kaum eine zweite aus dieser Epoche. Seit seinem Tod spaltet sich die Geschichte in zwei Lager. Einerseits in Wallensteinbefürworter, andererseits in Wallensteingegner. Gegen beide - einseitige - Betrachtungsweisen schrieb Diwald sein Werk über Wallenstein.

Um sich dieser Gestalt zu nähern, ist es, wie bei anderen Personen auch, wichtig, sich mit der Quellenlage vertraut zu machen. Gerade hier liegt, so Diwald ein großes Problem. Die wesentlichen Perioden von Wallensteins Leben sind schwach, oder gar nicht dokumentiert. So z. B. ist die Frage, woher das Vermögen Wallensteins stammte, mit dem er Kaiser Ferdinand II. das erste Heer und alle weiteren Heere stellen konnte, bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet.

Ebenso entzieht es sich jeder Kenntnis, weshalb Wallenstein gerade 1625 den Oberbefehl über die Truppen der Liga bekam. Er, der sich bis dato durch keine herausragenden militärischen Leistungen ausgezeichnet hatte. Vieles von der Person Wallensteins liegt, nach Meinung des Autors, im Dunkeln und viele Fragen werden auch niemals geklärt werden können. Gerade hierin liegt die Stärke dieser Biographie. Diwald gibt unumwunden zu, das in den historischen Quellen selber Lücken auftreten, deren Vorhandensein auf keinen Fall mit Spekulationen aufgefüllt werden dürfen.

Gerade bei einer so umstrittenen Person wie Wallenstein ist die Forschung schnell dazu bereit, eine fehlende Quelle durch eine Spekulation zu ersetzen. Fest steht, das Wallensteins nachweisbarer Reichtum einerseits aus seinen Ländereien in Böhmen und andererseits durch eine damals durchaus übliche Heirat mit einer älteren, aber vermögenden Frau stammte. Doch auch diese Tatsachen erklären nicht hinreichend seine immensen Aufwendungen im weiteren Verlauf des Krieges.

Diwald sieht in Wallenstein eine moderne Persönlichkeit, mit allen ihren Widersprechen und verschieden Facetten. Wallenstein ist deshalb ein so guter Heerführer, weil es nicht ausschließlich militärisch, sondern politisch denkt. Er steht dem vordergründig religiös motivierten Kampf indifferent gegenüber. Seine Vision ist es, ein befriedetes Reich zu schaffen. Damit steht er öfter im Konflikt mit Ferdinand II. und seinen einflußreichen Beratern. Für sie stand die Rekatholisierung Mitteleuropas im Vordergrund. Dies lehnte Wallenstein, obwohl Heerführer der katholischen Liga, ab. Daraus wurde einer der Gründe, weshalb er zuerst abberufen und dann, nach seiner Wiedereinsetzung ermordet wurde.

Es ist immer ein heikles Unterfangen, einem Menschen nach seinem Tod Motive für seine Handlungen zu unterstellen. Diwald sieht in Wallenstein einen Visionär, der die Vorstellung von einem geeinten, wirtschaftlich starken Mitteleuropa, welches zugleich die Ostsee beherrschte, hatte. Diwald drückt es folgendermaßen aus: "Wallenstein ist einer der ersten in der Moderne, der den gelenkartigen Zusammenhang der Dinge untereinander begreift, das wesensmäßig notwendige Ineinanderspiel von Landwirtschaft, Gewerbe, Handel, Finanzen, Politik und Krieg". Die Frage, ob dies unter Habsburgischer oder seiner eigenen Führung geschehen sollte, läßt Diwald offen. Tatsache ist, das sich Wallenstein, zuerst Kaiser Ferdinand II. loyal gegenüber, im Verlauf des Krieges immer mehr seinen eigenen, von der Politik der Liga differierenden, Positionen näherte.

Wie alle geschichtlich-hypothetischen Fragen nach dem "Was wäre wenn...?", bleibt Diwald auch hier seiner Maxime des nicht-spekulativen treu. Nur manchmal klingt so etwas wie Bedauern an, das es Wallenstein nicht gelungen sei, seine Pläne zu verwirklichen. Für die politische Führung unter Ferdinand II. zeigt der Autor nur Verachtung. Immer schwankend zwischen den Manipulationen seiner Berater und dem Können seines Feldherren, befahl er letztendlich die gewaltsame Ablösung Wallensteins.

Der Krieg, bis dahin schrecklich wie alle Kriege, eskalierte noch mehr zu einem wahrhaft europäischen Krieg auf deutschem Boden. Aus religiöse und vermehrt aus politischen Gründe geführt, verwüstet er auf lange Zeit das Kriegsgebiet. Die deutschen Länder brauchten Jahrzehnte, um sich von dieser Katastrophe zu erholen.

Hellmut Diwald schreibt äußerst kenntnisreich und mit viel subtilem Humor über das Leben von Wallenstein. Es bereitet etwas Mühe, sich an die manchmal etwas "barocke" Art seines Schreibstils zu gewöhnen, aber wem das gelungen ist, der hat eine Lektüre vor sich, die ihn fesseln wird.

Die Frage, ob Europa anders aussehen würde, wenn die Ziele Wallensteins realisiert worden wären, muß jeder Leser selber entscheiden. Diwald jedenfalls ist dieser Meinung.




Meine Bewertung:Bewertung