Buchkritik -- Rolf Dobelli -- Die Kunst des klaren Denkens

Umschlagfoto  -- Rolf Dobelli  --  Die Kunst des klaren Denkens Du meine Güte! Wer liest (braucht) solche Bücher und warum trifft ein Verlag die Entscheidung zur Veröffentlichung? Kennt da ein Mitherausgeber einer großen überregionalen Tageszeitung einen Verleger, der ihm noch einen Gefallen schuldig ist oder warum muss man die bereits in der großen überregionalen Tageszeitung veröffentlichten Kolumnen zusätzlich noch als Buch auf den Markt bringen?

Was als Kolumne in einer großen überregionalen Tageszeitung bestenfalls als Kantinenlektüre für diejenigen in Frage kommt, die ihr Pausenbrot zuhause haben liegen lassen, gerät, als Buch veröffentlicht, in den Ruf, schnell noch mal Kasse machen zu wollen.

Da stellt sich dann auch gleich die Frage danach, wer solche Bücher - immerhin sollen die Leser vor nicht weniger als 52 Denkfehlern gewarnt werden - kauft, bzw. um die nassforsche Diktion des Autors zu benutzen, was für merkwürdige Wesen sind die Zielgruppe solcher "Ratgeber"? Es müssen Menschen sein, die sich bereits in ihrer eigenen Wohnung verlaufen, die das Buch von Rolf Dobelli "Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen" käuflich erwerben. Man verstehe mich nicht falsch. Jedes Buch, jedes geschriebene Wort, das dazu geeignet ist, unsere Mitmenschen von ihren katastrophalen, unreflektierten und manchmal auch triebgesteuerten Handlungen abzuhalten, ist ein Gewinn - zumindest für Verlag und Autor. Doch die Zielgruppe dieses Buches, das sich wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerliste des SPIEGEL gehalten hat, muss eine arg merkwürdige sein.

Da wuselt es im Buch, wir erinnern uns daran, dass uns ein omnipotent daherkommender Ratgeber auf die Vermeidung von 52 kapitalen Denkfehlern aufmerksam machen will, vor Anglizismen, dass es auch einem polyglotten Globalisten die (deutsche) Sprache verschlägt. Da gibt es den "Survivorship Bias", gefolgt "The Swimmer`s Body Illusion", den "Overconfidence-Effekt", "The Story Bias" und, neben vielen anderen Biases, auch den "Omission Bias". Für alle, die sich jetzt auf den Weg zum Bücherregal machen und ein altes Englisch-Wörterbuch hervorkramen wollen, ein "Bias" ist ein Irrtum oder eine verzerrte Wahrnehmung.

Rolf Dobelli will seine Leser also davor bewahren, sich in den Täuschungen des Alltags zu verfangen oder einer mangelnden Selbstkritik zu verfallen. Nehmen wir z. B. "The Swimmer`s Body Illusion", in der Dobelli die Meinung vertritt, dass ein Leistungsschwimmer nicht durch hartes Training zu seinem guten Körperbau gelangt, sondern aufgrund seiner bereits vorhandenen guten Figur ein eben solcher Leitungsschwimmer ist. Das wird aber alle olympischen Schwimmer erfreuen, brachen die doch in Zukunft nicht mehr so hart zu trainieren.

Doch der Autor kann noch vor weiteren Irrtümern bewahren. Dachte jeder unternehmerisch Denkende bislang immer, ein "Schraubenbesteller", also jemand, der in seiner Firma für den Einkauf von "Hardware" zuständig ist, würde immer, wie es sein Chef wünscht, den preiswertesten Anbieter von Schrauben wählen, so zeigt Dobelli in "Die Reziprozität", wie es in der Realität funktioniert. Da wird nämlich der "Schraubenbesteller", von einem pfiffigen, mit allen Wassern des Geschäfts gewaschenem "Schraubenverkäufer" zu einem Champions-League-Spiel eingeladen. Der Eingeladene, wir erinnern uns, ein "Schraubenbesteller", gibt just einen Monat später bei diesem "Schraubenverkäufer" aus Gründen persönlicher Dankbarkeit, bei einem Champions-League-Spiel dabei gewesen sein zu dürfen, eine "Schraubenbestllung" ab. So also funktioniert das Leben!

Ich muss zugeben, dass mein Interesse an diesem Buch nach der Lektüre solch dramatisch neuer Einsichten in die Wirklichkeit ebenfalls dramatisch zurückgegangen ist. Einen will ich Ihnen jedoch nicht vorenthalten. In "The Liking Bias" kaufen Leute Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchen, weil, und jetzt halten Sie sich fest, sie die Verkäufer so sympathisch finden.

Ich würde gern aufhören dieses Buch zu rezensieren, doch einen, den absoluten Hammer hat Dobelli noch auf Lager. In "The Zero-Risk Bias" schreibt er, "..., dass weder der Millionen-Lottogewinn noch eine Querschnittlähmung Ihre Zufriedenheit langfristig verändern." Alles klar?

Mein Rat, kaufe nie ein Buch, nur weil es in einer Bestsellerliste den 1. Platz belegt. Bei Rolf Dobellis "Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen" muss der bereits erwähnte Verleger des Buches dem Mitherausgeber einer großen überregionalen Tageszeitung aber einen großen Gefallen schuldig gewesen sein.

Gäbe es eine ewige Liste "Welche Bücher man nicht braucht", würde dieses einen der vorderen Plätze einnehmen.




Meine Bewertung:Bewertung