Thea Dorn ist sauer. Es geht ihr die Harmoniesucht in der Bundesrepublik auf den Wecker. Seit Jahrzehnten politisch auf einer Gleichschaltungswelle daher dümpelnd, ist dieses Land, besser noch, sind seine selbst ernannten Eliten nicht mehr dazu fähig eine harte, an den Fakten orientierte Diskussion zu führen. Die Parteienlandschaft lässt längst nicht mehr erkennen, wer für welche Politik steht. RotGrünSchwarzGelb schwimmt in einer Soße der Beliebigkeit, die jede Kontur vermissen lässt. Politische Aussagen und Handlungen stehen ausschließlich unter dem Aspekt der nächsten Wahlen.
In Ach, Harmonistan schreibt Dorn eloquent über das, was sie Deutsche Zustände nennt. Sie hätte auch von Deutschen Missständen schreiben können, die ihre feine Wahrnehmung hier in zahlreichen Essays zu Papier bringt. Sie lässt fast kein Thema aus und benutzt jede Gelegenheit dazu, sich beim politischen und kulturellen Mainstream unbeliebt zu machen. Wer diese Frau schon einmal bei ihren telegenen Auftritten im Fernsehen erlebt hat, der spürt, dass ihre Bemerkungen zum Zustand des politischen Bewusstsein dieses Landes mehr sind, als nur ein launiger kulturkritischer Aperçu.
Die Autorin legt sich in mehr als einer Sache mit dem aktuellen Zeitgeist an. Ob es ihre Bemerkungen über die Multikultischwärmerei von Gutmenschen bei deren gleichzeitiger Realitätsverdrängung in Bezug auf die Unterdrückung moslemischer Frauen in diesem Land sind oder ob sie über die unappetitlichen Trivialitäten des (Privat)Fernsehens spricht, Thea Dorn ist auf der Höhe des artikulierten Unwohlseins über Deutsche Missstände. Gewohnt wortgewandt, zuweilen polemisch und immer mit dem wachen Blick für die sich dem unbefangenen Betrachter des Zeitgeistes manchmal darbietende kognitive Dissonanz der Meinungsmacher in Politik und Medien, zeichnet sie ein Bild Deutscher Zustände, das sehr oft dem offiziellen Hofberichterstattungstonfall der "Qualitätsmedien" widerspricht.
Da ich ein Mann bin, der sich die Welt auch gerne einmal von einer Frau erklären lässt, habe ich den Rundgang durch die Burgen diverser Blaubarts mit besonderem Vergnügen gelesen. Leider irritieren den Leser doch die ungewohnt harmlosen Bemerkungen über die Bundeskanzlerin. Kann man schon das stille Engagement für Angela Merkel, die damalige (2005) Kandidatin für das Bundeskanzleramt nur schwer nachvollziehen - ist wohl auch eher der weiblichen Solidarität geschuldet, als der festen Überzeugung, dass Frau Merkel die beste Wahl für dieses Amt gewesen sei - so fällt es jedoch schwer, die Nibelungentreue, trotz einiger kritischer Bemerkungen, nachzuvollziehen, die Thea Dorn der Bundeskanzlerin erweist. Vielleicht sind ja auch starke Frauen auf dem feministischen Auge blind. Kann ja mal passieren.
Dieses Buch ist mit Vergnügen zu lesen und doch wird sich der Zeitgeist dadurch leider nicht in seinem Wahnsinnsgalopp aufhalten lassen. Ein Versuch war es allemal wert.
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