Buchkritik -- Umberto Eco -- Die Geschichte der legendären Länder und Städte

Umschlagfoto, Umberto Eco, Die Geschichte der legendären Länder und Städte, InKulturA Das Hier und das Jetzt, der Augenblick und das Heute sind schon manchmal arg prosaisch. Der Kampf ums Leben, der noch wenige Generationen vor uns, aber zunehmend auch in heutiger Zeit, nicht selten ein Kampf ums Überleben war und ist, kann einem das Leben schon ganz schön vermiesen. Da ist es kein Wunder, wenn zu allen Zeiten, in jeder historischen Epoche und in jeder Religion die Menschen bestrebt waren, in ihren Vorstellungen eine bessere, gerechtere und schönere Welt zu produzieren.

Da die reale sehr oft durch Leid, Schmerz und Hunger gekennzeichnet war, und der Himmel auf Erden in dieser Welt nicht zu erreichen und, im Gegenteil, die Hölle im Diesseits greifbar näher gewesen war, blieb den Menschen nur die Möglichkeit, ihre Vollkommenheitsvorstellungen in die Phantasie auszulagern.

Der Mythos von Atlantis, das Schlaraffenland, das sagenumwobene Eldorado, aber auch die Vorstellungen vom Paradies, in dem der Löwe bei den Schafen liegt, sind nur einige dieser Projektionen menschlicher Wünsche in ein unerreichbares Land.

Umberto Eco, dem man getrost eine Besessenheit zu enzyklopädischen Darstellungen nachsagen kann, hat diese Orte, hübsch aufbereitet vom Hanser Verlag, in seinem Buch "Die Geschichte der legendären Länder und Städte" aufgelistet. Chronologisch geordnet, nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch die Phantasiewelten der menschlichen Kulturen.

Der Band ist opulent illustriert und Eco spannt den Bogen der phantastischen Orte von den Antipoden bis hin zu Rennes-le-Château. Es ist eine literarische Reise durch die teilweise bizarren Vorstellungswelten menschlicher Kulturen. Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, dem scheinbar immer hinter dem Horizont verborgenen Land ist wohl eine Grundkonstante der menschlichen Psyche. Umberto Eco spürt ihr nur all zu gern nach - nicht nur in diesem Buch.

Dabei herausgekommen ist ein Werk, das durch seine Aufmachung begeistert. Zu jedem Kapitel zitiert Eco ausführlich zeitgenössische Quellen und die gelungene Bildauswahl rundet dieses überaus gelungene Buch ab.

Unverständlicherweise, und das ist ein Manko dieses ansonsten stimmigen Werks, verliert Umberto Eco, je näher er dem 20. Jahrhundert kommt, seine erzählerische Objektivität und er ist bestrebt, oftmals die Grenze zur Boshaftigkeit überschreitend, mit einer oberlehrerhafter Attitüde moderne Mythen zu desavouieren.

Natürlich ist die Hohlwelttheorie genauso abstrus wie der Mythos von Rennes-le-Château. Doch kann man das nicht auch von Homers Epos über die Reisen des Odysseus oder die Paradiesvorstellungen der Religionen sagen? Wenn allein, wie Umberto Eco es schreibt, die uralten " ... Legenden aufgrund ihres ehrwürdigen Alters mindestens achtungsgebietend, ja glaubwürdig sind, ...", dann soll also, nach Ecos Vorstellung, einzig die historische Distanz zu einem Mythos oder einer Legende für deren Wahrhaftigkeit oder Glaubwürdigkeit ausschlaggebend sein?

Dann werden ja auch vielleicht auch Ultima Thule und das Schlaraffenland in einer weit fortgeschrittenen Zukunft an Glaubwürdigkeit zunehmen. Schade, dass Umberto Eco in dieser Beziehung die Distanz zu seinem eigenen Werk verliert.




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Veröffentlicht am 1. Februar 2014