Buchkritik -- Ake Edwardson -- Das vertauschte Gesicht

Umschlagfoto  -- Ake Edwardson --  Das vertauschte Gesicht Wie kann man Verwerfungen und Risse einer Gesellschaft am besten schildern? Ist es die Sprache der Soziologie, sind es die Zahlen der Kriminalstatistik, oder ist es der literarische Ausdruck von Schriftstellern? Während sich der Soziologe zu sehr auf seine jeweilige zu beweisende Theorie bezieht, sagen die Kriminalstatistiken allzuwenig über die Gründe eines Verbrechens aus. In ihnen wird allenfalls noch Bilanz gezogen über die Taten. Die Beweggründe bleiben im dunkeln.

Bleibt also der Schriftsteller übrig, dem es gelingen soll die Gesellschaft und ihre Probleme zu beschreiben und ihnen auf den Grund zu gehen. Ake Edwardson ist ein Beispiel dafür, wie diese Verwerfungen mit Hilfe von literarischer Fiktion realistisch geschildert werden können. In seinem Roman Das vertauschte Gesicht zeigt er dem Leser eine Gesellschaft die durch Kälte und Brutalität gekennzeichnet ist. Die Psyche der Personen unterscheidet sich nur graduell voneinander. Der Täter und die ihn suchenden Polizisten sind auf ihre jeweils eigene Weise soziale Autisten. Die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation scheint abhanden gekommen zu sein. Bewegt sich schon der Täter in einer eigenen, psychisch abgeschlossenen, Realität, so sind auch die Beamten unfähig, sich mit über den Dienst hinausgehenden Problemen und Dingen zubeschäftigen.

Ake Edwardson zeigt uns eine Gesellschaft, deren Zusammenhalt fragwürdig geworden ist. Gewalt, private und gesellschaftliche, prägt den Alltag. Psychisch heimatlose Kinder, heute noch Opfer, werden morgen zu potenziellen Tätern. Der Autor sucht keine Schuldigen für das soziale Desaster, sondern beschränkt sich darauf, die Realität zu schildern. Es steht wie schon in seinem Roman Die Schattenfrau nicht die Jagd nach dem Täter im Vordergrund, sondern die psychische und gesellschaftliche Situation der handelnden Personen. Dabei verwischen sich die Grenzen zwischen Täter und Polizei.

Nicht vordergründige Aktion, sondern Situationsbeschreibung prägen diesen Roman. Der Täter wird zwar gefasst, doch die Frage warum er es getan hat bleibt offen. Die Tatsache, daß er aus den eigenen Reihen der Polizei kommt zeigt noch einmal deutlich, wie sehr sich die Gesellschaft verändert hat. Diejenigen die damit als erste konfrontiert werden, zeigen sich am hilflosesten. Edwardson zeigt in seinen Romanen eine lethargische Gesellschaft, die sich mit ihrem Untergang bereits abgefunden zu haben scheint. Er schreibt zwar über schwedische Verhältnisse, doch seine Personen könnten überall leben.




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