Buchkritik -- Arne Dahl -- Gier

Umschlagfoto  -- Arne Dahl  --  Gier Muss nicht auch ein Autor von Kriminalromanen mit der Intelligenz seiner Leser rechnen oder ist die in diesem Genre bereits eine zu vernachlässigende Größe? Wer den aktuellen Roman Gier von Arne Dahl liest, der fragt sich in der Tat, was das Lesepublikum verbrochen hat, dass es vom Kriminalschriftsteller so zum Besten gehalten wird, wie in diesem Fall.

Ein chinesischer Umweltaktivist und eine New Yorker Investmentbankerin wollen, unabhängig voreinander, anlässlich des G-20 Gipfels in London dem US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama eine Botschaft übermitteln. Auf der Klatschplattform Twitter wird die Meldung über einen spontanen Ausstieg des Präsidenten aus seiner Limousine gepostet. Natürlich werden die Beiden daraufhin getötet. Für wie beschränkt muss ein Autor seine Leser halten, wenn er von ihnen erwartet, dass sie diesen Plot glaubhaft finden sollen?

Danach wird es richtig dicke. Das A-Team kommt durch eine chinesische Haushaltshilfe, die bei einem schwedischen Möbelproduzenten angestellt ist, der sich mit der Mafia eingelassen hat, einem Umweltskandal in Tibet auf die Spur. Dabei war doch die Putzhilfe auf der Suche nach ihren in China verschwundenen Kinder. In Folge dessen surfte sie mal schnell mit dem Rechner des Möbelproduzenten auf Internetseiten mit Kinderpornographie.

Ein Mitglied des A-Teams, das doch noch eigentlich eine ultrageheime und supranational agierende europäische Polizeieinheit sein soll, schwatzt nach dem Beischlaf mit einer slawischen Schönheit über seinen neuen Job. Die hat nichts Besseres zu tun, als ausgerechnet das einem Kleinkriminellen weiterzuerzählen, der wiederum sexuellen Kontakt mit einer durch die Ehe frustrierten Frau hat, die das dann selber noch einmal weitererzählt. Bis jetzt noch alles klar?

Besagter postkoitaler Schwätzer reist doch wirklich seinem eigenen Geplapper nach und ermittelt jede (sic) Person, die durch aktive Schwatzhaftigkeit von seiner Tätigkeit Kenntnis besitzt. Dass er dafür auch nach New York fliegen muss, ist im Zuge der Absonderlichkeiten dieses "Romans" wahrlich kein Wunder.

Zwei weitere Mitglieder des A-Teams - eines davon wird von der italienischen Mafia gejagt - unternehmen eine Ermittlungsreise nach Italien, um dort von einem omnipotenten aber unsichtbaren Feind in einer Schlossruine erst festgeklebt und dann in die Luft gesprengt zu werden. Alles hängt mit einem ominösen, bei dem Attentat auf die Twin-Towers nur scheinbar getöteten Banker zusammen, der die feindliche Übernahme eines baltischen Staates plant. Immer noch alles klar?

Paul Hjelm, der Chef des A-Teams reist mit zwei Mitarbeiterinnen nach London, kann dort einen weiteren Anschlag der Omnipotenten im Gebäude von Scotland Yard nicht verhindern und ist auch ansonsten nicht sehr erfolgreich im Aufspüren des Chefs einer im Visier der Ermittlungen stehenden Sicherheitsfirma, die ihrerseits Polizisten als Nebenjobber beschäftigt, welche für die Morde besagter zwei Menschen, die mit Barack Obama in Kontakt treten wollten, verantwortlich sind. Überflüssig zu erwähnen, dass auch diese Polizisten von den unsichtbaren Drahtziehern im Zuge des Zeugenausschaltungsprogramms getötet werden.

Man könnte sich über die logischen Fehler und Ungereimtheiten dieses Romans noch weiter auslassen. Folgendes in Kürze: Die Mafia will einen baltischen Staat übernehmen und versucht deshalb durch eine fortlaufende Verklappung toxischer Stoffe vor dessen Küste die wirtschaftliche und politische Reputation dieser Nation zu unterminieren, um nach den dann fallenden Aktienkursen und dem folgenden wirtschaftlichen Ruin dieses Land "kaufen" zu können. Aus diesem Grund bedient sie sich zahlreichen schwedischer Möbelfirmen, die sowohl ein Entsorgungs- als auch ein finanzielles Problem haben. Immer sind es die Unsichtbaren, die im Hintergrund allmächtig und allwissenend agieren. Niemand wird verhaftet, niemand zur Rechenschaft gezogen.

Falls Arne Dahls Roman Gier das Ziel hatte, sowohl das A-Team als auch den Leser zu verwirren, dann ist das gelungen. Einer der letzten Sätze eines Mitarbeiters von Paul Hjelm ist die Frage, was man eigentlich erreicht habe. Das fragt sich nach der Lektüre auch der Leser, der noch über eine gewisse Restintelligenz verfügt.




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