Buchkritik -- John Gray -- Die falsche Verheissung

Umschlagfoto  -- John Gray  --  Die falsche Verheissung Liberalisierung, Globalisierung, und freie Märkte, das sind die Schlagworte des neuen Jahrtausends. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme wurde die Wirtschaftsform des Kapitalismus als vermeintlicher Sieger gefeiert. Es wurde sogar schon das Ende der Geschichte (Fukuyama) beschlossen. Viele Politiker stimmten mangels Kenntnissen und eigener Meinung in diesen Kanon mit ein. Wirtschaftstheoretiker und Manager freuten sich auf eine goldene Zukunft. Die Zeche dieses globalwirtschaftlichen Experiments zahlten leider andere Menschen. Arbeitsplätze fielen der sogenannten Deregulierung zum Opfer. In vielen Hochlohnländern wurde Arbeit im internationalen Bezugsrahmen auf einmal zu teuer. Die Folge war Auslagerung von kostenintensiven Produktionen ins Ausland.

Doch es scheint, als würde sich diese Schraube des globalen wirtschaftlichen Irrsinns zur Zeit etwas langsamer drehen. Einige derjenigen, die vor Jahren noch aktiv an diesem wirtschaftlichen Paradigmenwechsel teilgenommen hatten, besinnen sich eines besseren. Zu deutlich sichtbar werden die Nachteile des globalen freien Marktes.

Einer von ihnen ist John Gray. Zu Beginn der achtziger Jahre noch als Chefideologe der Regierung Thatcher tätig, hat er sich nunmehr von Saulus zum Paulus gewandelt und kritisiert vehement die Fehler und die negativen Auswüchse des Neo-Liberalismus. Was immer man von solchen ideologischen Wandlungen hält, (ich stehe ihnen sehr skeptisch gegenüber), sollte man sich doch anhören, bzw. lesen, was diese Menschen zu sagen haben.

Gray zeigt in seinem Buch "Die falsche Verheissung" konsequent all die Fehler auf, die gemacht wurden um einen Kapitalismus nach amerikanischem Modell in der gesamten Welt einzuführen. Jede Nation hat, so Gray, ihre eigene Form des Kapitalismus entwickelt. Als Beweis führt er die wirtschaftlich erfolgreichen Staaten in Südostasien an. Die Wirtschaft dort muß sich zwar auch unter Weltmarktbedingungen behaupten, doch es geschieht in politisch stabilen Staaten. Kultur und Gesellschaft funktionieren noch nach langjährigen Traditionen.

Als negatives Beispiel führt Gray die Neo-Liberalen Experimente in Mexico, Neuseeland und Großbritanien an. Bisherige wirtschaftliche Strategien wurden zugunsten eines US-amerikanischen Wirtschaftssystems aufgegeben. Der Staat zog sich aus fast allen Bereichen zurück und die Märkte wurden freigegeben. Die Folge davon waren soziale und gesellschaftliche Verwerfungen ohne Beispiel. Bestehende Strukturen wurden zerstört, gesellschaftliche Beziehungen zerrissen. Die Familie als Kerninstitution jeder Nation wurde destabilisiert. Die Folge davon waren die Zunahme von Kriminalität und die Spaltung der Gesellschaft in wenige Reiche und sehr viele materiell benachteiligte Menschen.

Eines der Kennzeichen des freien Marktes ist die sog. "Delokation". Tätigkeiten und Beziehungen werden aus ihrem ursprünglich angestammten Zusammenhängen herausgerissen. Sie hinterläßt eine gesellschaftliche Desorientierung, die eine Nation auf Dauer nicht verkraften kann. Der freie Markt sieht die Menschen einzig als wirtschaftliche Subjekte an, die miteinander konkurrieren. Eine Ethik ist ihm fremd.

Während viele Kritiker der Globalisierung befürchten, dass die Welt immer mehr zu einem Konglomerat des immer gleichen wird, (alle Produkte gibt es überall), sieht Gray diese Gefahr nicht. Die jeweiligen unterschiedlichen Entwicklungen der Staaten werden dafür sorgen, dass sich auch der Kapitalismus, (diese Wirtschaftsform wird sich in der Zukunft überall auf der Erde durchsetzen), differenziert entwickelt. Es wird nicht nur den einen Kapitalismus US-amerikanischer Prägung geben, sondern ebenso viele Formen von Kapitalismus, wie es Staaten gibt.

Die vollkommene Übernahme des US-amerikanischen Wirtschaftssystems kann ein Land in ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Chaos führen. Als Beispiele führt Gray Mexiko, Neuseeland und Großbritanien an. Es gibt nur eine Chance dafür die Zukunft so konfliktfrei wie möglich zu gestalten und die besteht darin, die Eigenheiten der jeweiligen Nationen zu akzeptieren und nicht zu versuchen, ein einziges wirtschaftliches System einzuführen. Der Nationalstaat wird gemäß Grays Thesen überleben. Er wird in Zukunft sogar ein wichtiges wirtschaftliches Regulierungsinstrument sein müssen, denn die Märkte dürfen sich nicht selber überlassen bleiben.

Soweit also die Theorien von John Gray. Ob sie allerdings verifiziert werden können bezweifle ich stark. Wenn man z. B. die die Verordnungswut der europäischen Zentralbehörde sieht, deren erklärtes Ziel es ist, sämtliche wirtschaftlichen Entscheidungen an sich zu reißen, so fällt es sehr schwer zu glauben, das der Nationalstaat eine Zukunft hat. Institutionen wie der internationale Währungsfond IWF tun ein übriges dazu, dafür zu sorgen, das es global nur eine Wirtschaftsform gibt, nämlich die US-amerikanische.

Trotz allen ist es Gray gelungen, viele kritische Punkte des Neo-Liberalismus aufzuzeigen. Für ihn sind sowohl Kommunismus als auch das Laissez-faire des Liberalismus US-amerikanischer Provenienz Auswüchse menschenverachtender wirtschaftlicher Experimente. Es gilt beide zu überwinden. Wir sind beileibe noch nicht am Ende der Geschichte angelangt.




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