Buchkritik -- Hamed Abdel-Samad -- Der Untergang der islamischen Welt

Umschlagfoto  -- Die islamische Welt wird untergehen. Das jedenfalls behauptet Hamed Abdel-Samad in seinem Buch Der Untergang der islamischen Welt . Diese Prognose, in bewusster Anlehnung an Oswald Spenglers monumentales Werk Der Untergang des Abendlandes , ist erstaunlich, entspringt sie doch der Feder eines in Ägypten geborenen islamischen Intellektuellen. Was ist dran, an seiner These vom baldigen Verschwinden des Islam in seiner jetzigen Form?

Der Autor unterzieht den Islam einer kritischen Analyse und kommt dabei zwar nicht zu neuen Ergebnissen, zeigt dem Leser aber dennoch wichtige Aspekte der historischen Entwicklung des Islam zu einer intoleranten, frauenfeindlichen und, in seiner aktuellen Befindlichkeit, demokratieunfähigem Glaubenssystem. In keiner anderen Religion ist das politische, soziale und religiöse Leben auf solch eine monolithisch anmutende Weise miteinander verbunden. Der Koran, das Heilige Buch der Moslems, ist Gesetz und Handlungsanweisung zugleich. Abdel-Samad weist zu Recht darauf hin, dass es für die aktive Teilnahme islamischer Staaten an der Weltpolitik eher ein Hindernis darstellt, wenn sich die Gläubigen auf einen Text berufen, der aus dem 7. Jahrhundert stammt und als unumstößlich gilt.

Nicht nur einer, wie der Autor es richtig deutet, fehlenden Aufklärung - wie sie der Westen in langen philosophischen, religiösen und militärischen Kämpfen bereits lange hinter sich hat - ist die Rückständigkeit islamischer Staaten in fast allen Bereichen geschuldet.

Ein diffuses, aber trotzdem mächtiges Gefühl der Überlegenheit über alle anderen Religionen und die daraus resultierende Kommunikationsverweigerung mit dem "bösen" Westen ist eine Tatsache, die in islamischen Kreisen nicht gesehen wird. Hamed Abdel-Samad spricht sogar von einer Lust an der Kränkung , um dieser Tatsache eine große Relevanz für das von ihm in der Zukunft vorausgesagte Scheitern der islamischen Welt zuzuweisen.

Nun sind, wie bereits gesagt, seine Thesen nicht neu. Aufschlussreich jedoch ist seine daraus resultierende Analyse. Wenn der Autor recht behält, so arbeitet die islamische Welt bereits fleißig an ihrem eigenen Untergang. Das darf jedoch stark in Zweifel gezogen werden.

Abdel-Samad liegt nur bedingt richtig mit seiner These, dass die islamische Welt nicht fähig ist, aufgrund einer dogmatisch vertretenen religiösen Indoktrination an der modernen Welt mit all ihren Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten teilzunehmen. Da der Islam jedoch auf einen verunsicherter Westen trifft, der es nicht mehr versteht, die Errungenschaften der Aufklärung zu verteidigen, dem es nicht mehr in den Sinn kommt, eine strikte Grenze zu ziehen zwischen dem, was seine eigentliche Stärke ausmacht - eine wehrhafte Demokratie - und dem, was real in seinen Gesellschaften geschieht - eine nicht mehr nur schleichende Islamisierung - gibt er freiwillig Terrain frei, das sich wiederum von demokratiefeindlichen religiösen Gruppierungen angeeignet wird.

Jeder Konflikt des Westens mit dem Islam, bzw. seinen Vertretern, der von den Prämissen und Errungenschaften der Aufklärung, die ja teilweise mit blutigen Kriegen erkämpft wurden, freiwillig abrückt, ist für den, vom Autor als im Untergang begriffenen Islam ein weiterer kleiner Mosaikstein auf dem Weg zu einer Renaissance, die weder vom Abdel-Samad, noch vom anderen aufgeklärten Denkern des Westens gewollt sein kann.

Nur wenn der Westen, ähnlich dem Islam, mit einer fest gefügten und nicht verhandelbaren Doktrin seiner grundlegenden Werte ausgestattet wäre, dann würden wir in nicht all zu langer Zeit Zeuge des Untergang(s) der islamischen Welt werden. Da sich jedoch der Westen seiner selbst mehr als unsicher ist, bietet er dem Islam freiwillig seine verwundbare Flanke an. Der nimmt diese Kapitulation gerne an.




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