Buchkritik -- Tino Hemmann -- Helagonitis

Umschlagfoto  -- Tino Hemmann  --  Helagonitis Die Menschheit steht kurz vor ihrer Vernichtung durch einen vom Mars eingeschleppten Virus. Als Waffe in einem Krieg geplant und eingesetzt, infiziert er in kurzer Zeit alle Kontinente der Erde. Um das Fortbestehen der Menschheit zu gewährleisten, werden in einem Bunker tief unter Leipzig zwanzig nach strengen Kriterien ausgewählte Kinder eingeschlossen und für fünfzig Jahre in künstlichen Tiefschlaf versetzt. Nach ihrem Erwachen müssen sie weitere zwanzig Jahre in ihrem Versteck ausharren, bis sich die Türen ihres Bunkers wieder öffnen.

Tino Hemmann erzählt in seinem Roman Helagonitis die Geschichte dieser zwanzig Menschen während des Zeitraums von zwei Jahrzehnten. Abgeschnitten von der Außenwelt, durch Lebenserhaltungssysteme autark von externer Versorgung und durch Hologramme medizinisch und pädagogisch betreut, fristen sie ihr Leben in einer, den Leser klaustrophobisch bedrückenden künstlichen Umwelt.

In dieser unterirdischen Sphäre, die nur graduelle Abstufungen zwischen Hell und Dunkel, zwischen Weiß und Grau kennt, vermischt sich bald die Realität mit den Träumen der Bewohner. Tom, einer der Eingeschlossenen, stellt fest, dass sich das Virus, die Helagonitis, Zutritt zu dem unterirdischen Versteck verschafft hat. In Form einer kollektiven Intelligenz, die dazu fähig ist, sich in verschiedenen Gestalten - auch menschlicher - zu manifestieren, ist sie im Begriff, das Versteck der zwanzig Menschen zu infiltrieren. Was zuerst nur als Traum erschien, wird im Lauf der Zeit Wirklichkeit und die Bewohner des Bunkers müssen um ihr Leben kämpfen.

Der Leser wird mitgenommen in eine Welt, die, emotional packend beschrieben, zwischen allgegenwärtiger Kontrolle und Verzweiflung, zwischen Überlebenskampf und Auflehnung, in einem Szenario der Beklemmung und des drohenden Wahnsinns pendelt. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Die Individuen werden mithilfe äußerer und innerer Bedrohungen manipuliert. Auch der Leser wird, wenn er sich der beklemmenden Atmosphäre dieses Romans hingibt, zu einem Spielball des Autors.

Tino Hemmann hat eine Science-Fiction Roman geschrieben, der sich eher den inneren Zuständen derjenigen widmet, die in einem von äußeren Einflüssen abgeschnitten Habitat leben müssen, als der in diesem Genre so oft üblichen Technikverliebtheit. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich der Leser mehr als einmal die Frage stellt, welcher Realität er denn Glauben schenken soll. Das alles ist stilistisch knapp aber präzise in Szene gesetzt. Wer diesen Roman zur Hand nimmt, der wird ihn erst wieder aus der Hand legen, wenn er die letzte Seite umgeschlagen hat. Bis dahin wird er, wie die letzten Überlebenden, so manche überraschende Wendung erfahren.

Helagonitis ist deutschsprachige Science-Fiction vom Feinsten.




Meine Bewertung:Bewertung