Der Beruf einer Pfarrerin oder eines Pfarrers ist keiner, der sich von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr abspielt und nach Beendigung das erlaubt, was "normale" Arbeitnehmer als Freizeit bezeichnen. Anne-Carolin Hopmann, seit 1995 als Gemeindepfarrerin in der reformierten Landeskirche Zürich beschäftigt und seit 2005 Pfarrerin im schweizerischen Rüschlikon, beschreibt in ihrem Buch "Der Hamster ist tot und die Glocken läuten" eine typische Arbeitswoche von Montag bis Sonntag.
Diese ist weit entfernt von festgelegten Abläufen und Arbeitszeiten. Zwischen Taufen und Begräbnissen, Jugendarbeit und Konfirmationen ist außerdem die kirchlich-bürokratische Organisation zu bewältigen und erfordert, quasi nebenbei, immer ein offenes Ohr für die Belange, Sorgen und Nöte der Gemeindemitglieder.
Keine einfache Aufgabe, doch Hopmann ist mit Leib und Seele Pfarrerin und so bewältigt sie ein tägliches Arbeitspensum, dass wohl nur wenige auf sich nehmen würden. Sie sucht und bietet Kontaktmöglichkeiten innerhalb ihrer Gemeinde, aber auch und gerade für Zweifler oder gar Gegner religiösen Lebens hat sie stets, bleibt denn die geäußerte Kritik im Rahmen eines akzeptablen Umgangs, immer ein offenes Ohr.
Sie weiß, und bedauert es manchmal, dass die christlich Kirche in ihrer Gesamtheit auf dem, nennen wir es Markt der Freizeitaktivitäten, mit zahlreichen Konkurrenten im Wettstreit steht, den sie nicht immer gewinnt. So ist es gerade bei Jugendlichen manchmal schwer, Interesse und Motivation für kirchliche Belange zu wecken.
Glauben, das betont Hopmann immer wieder, beginnt in der Familie und, so die engagierte Pfarrerin, man kann zu Gott kommen, wie man nach Hause kommt. Doch sie ist sich auch bewusst, dass die Kirche immer mehr an Reichweite verliert, was u.a. an starren Strukturen, festgefahrenen Abläufen und zu wenig kirchlichen Kommunikationsangeboten für Zweifler und Skeptiker liegt.
Ohne den Rückhalt ihrer Familie, die die Idee des offenen Pfarrhauses immer hautnah miterlebt, wäre die Arbeit von Anne-Carolin Hopmann deutlich schwerer. Menschen, die plötzlich vor der Tür stehen und sich in Not befinden zu helfen, ist nicht nur ein Gebot christlicher Nächstenliebe, sondern auch die Voraussetzung einer, den humanitären Werten verpflichteten Gesellschaft. Doch, wie die Autorin es auch nicht verschweigt, gerät diese Pflicht manchmal an ihre Grenzen. Der Grat zwischen echter Bedürftigkeit und Betrug ist schmal und erfordert jedes mal Fingerspitzengefühl und angewandte Lebenserfahrung.
Nach der Lektüre dieses Buches werden so manche Vorurteile eher kirchenferner Menschen bezüglich der Aufgaben, Pflichten und Einsatzfreude, die dieser Beruf erfordert, einer Korrektur bedürfen.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 5. November 2017