Buchkritik -- Hagen Lassall -- Ansichten von Berlin

Umschlagfoto  -- Hagen Lassall  --  Ansichten von Berlin Berlin, selbsternannte Metropole, klotzt seit Jahren mit ehrgeizigen Bauprojekten und Sanierungen. Regierungsviertel, Potsdamer Platz und Hauptbahnhof sind fertig gestellt, Viele weitere, u. a. die Museumsinsel warten auf ihre Vollendung, bzw. den Beginn, siehe das Stadtschloss.

Dementsprechend befinden sich auf dem Markt der Hochglanzfotografie unzählige Fotobände, in denen Berlin ausschließlich als "moderne" Großstadt präsentiert wird. Dramatisch ausgeleuchtete Glasfassaden, die Bauklotzarchitektur am Potsdamer Platz als Nonplusultra der aktuellen Architekturszene und die Domizile der neuen Intellektuellen- und Kulturschikeria im Bezirk Friedrichshain - Normalberlin scheint nicht mehr existent.

Hagen Lassall legt eine andere Art Berlin zu sehen und zu fotografieren vor. Fremddefiniertes Haupstadtflair kommt nicht vor, dafür das Gespür eines Besuchers für die besondere Atmosphäre dieser von so vielen verschiedenen "...szenen" für sich vereinnahmten Stadt.

Abseits aller fotografisch ausgetretenen Pfade, zeigt der Fotograf ein Berlin, welches der Realität näher kommt als die Darstellung in den offiziellen Tourismusbroschüren. Da sieht man schon einmal eine Fassade, die noch die Spuren des Häuserkampfes zum Ende des Zweiten Weltkriegs aufweist, da werden auch die charmant-schäbigen Fassaden Berliner Altbauten gezeigt und quasi als Gegensatz die modern-sterile Architektur des Regierungsviertels.

Zwei hauptsächliche Eindrücke bekommt der Betrachter von dieser Stadt vermittelt. Berlin ist grün (nicht politisch sondern optisch) und Berlin ist eine Stadt der Einsamkeit. Beides hat Hagen Lassall mit feinem Gespür herausgearbeitet. Grüne Oasen mitten in der Stadt, manchmal reicht dazu eine mit Bäumen gesäumte Straße aus. Dazu zahlreiche Grünanlagen und Parks, zwei zoologische Gärten und die umfangreichen Wälder innerhalb der Stadtgrenzen. Berlin ist aber auch eine Stadt der Melancholie, besonders gut gelungen in der verwaisten und stillen Stimmung der Abfertigungshalle des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Berlin mit seinen vielen Schlafstätten, deren Bewohnen morgens in die eine Richtung fahren und Abends in die entgegengesetzte und die dazwischen einfach in Büros oder Fabriken verschwinden. Berlin kann manchmal sehr einsam sein.

Hagen Lassall hat einen sensiblen Fotoband über Berlin veröffentlicht, den in dieser Form wahrscheinlich nur ein Besucher mit dem Gespür für das Besondere dieser Stadt herstellen kann.




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