Buchkritik -- Die verlorene Welt der Planetenengel & die Prophezeiungen des Michel Nostradamus

Umschlagfoto  -- Ulrich Maichle  --  Die verlorene Welt der Planetenengel & die Prophezeiungen des Michel Nostradamus Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1555 haben die Prophezeiungen des Michael Nostradamus die Phantasie zahlloser Menschen beschäftigt. Keine historische Epoche war frei von dem Bemühen, die Vierzeiler und die Episteln zu deuten. Jede Zeit hatte die ihr eigenen Deutungsmuster und Interpretationsversuche. So zahlreich wie die verschiedenen Auslegungen der Texte waren auch die Mißbrauchsversuche der Prophezeiungen. Alle hatten nur eines gemeinsam - sie waren ausschließlich die persönliche Bekundung des jeweiligen Interpreten. In diese Auslegung vermischten sich stets politische Interessen mit individuellen Neigungen.

Die Literatur zu den Prophezeiungen ist nahezu unüberschaubar geworden und beweist das große Interesse, das diesem Werk bis in die heutige Zeit entgegen gebracht wird. Sein unvergleichlicher Stil, seine bewußt dunkel gehaltenen Vierzeiler und die allgemeine Faszination an diesem Werk hat sowohl auf Esoteriker und Ideologen, als auch auf Kryptologen und Computerwissenschaftler einen bleibenden Eindruck gemacht. Obwohl schon oft als entschlüsselt proklamiert und genauso oft an der Substanz der Prophezeiungen gescheitert, bleibt das Interesse am Werk des Nostradamus ungebrochen.

Ulrich Maichle hat mit seinem Buch Die verlorene Welt der Planetenengel & die Prophezeiungen des Michael Nostradamus eine neue Analyse und eine darauf resultierende Deutung vorgelegt. Der Autor beschäftigt sich intensiv mit dem für die damalige Wissenschaft geltenden Weltverständnis. Astrologie und Astronomie waren nicht voneinander zu trennen und wurden gemeinsam gelehrt. Für das Selbstverständnis der Menschen war es keine Frage, daß ihre persönlichen Geschicke, aber auch der Gang der Weltgeschichte, von den Planeten beeinflußt wurde. Maichle stellt dies explizit dar, denn er zeigt, daß zum Verständnis der Texte von Nostradamus ein Schlüssel notwendig ist, der in einem, aus dem muslimischen Spanien des Hochmittelalters entstandenen Werk von Abraham Ibn Ezra liegt. Darin ist die Rede von einem Zyklus von 354 Jahren und 4 Monaten, in dem die Welt von jeweils einem der sieben Erzengel regiert wird. Nostradamus, so Maichle, dürfte diesen Text, der im Lauf der Zeit zum allgemeinen Gedankengut der damaligen Bildungselite wurde, durch die Vermittlung von Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim kennengelernt haben. Dieses historische Grundmodell wurde letztlich zum Code, ohne dessen Kenntnis sich die Prophezeiungen nicht datieren lassen und somit unverständlich bleiben.

Mit Hilfe dieses Codes, so der Autor, ist es möglich geworden die Prophezeiungen ohne Esoterik oder sonstiger okkulter "Geheimwissenschaften" zu entschlüsseln. Für die Decodierung der Prophezeiungen ist das richtige Zeitmodell von entscheidender Bedeutung. Die aus o.e. Text resultierende "Secundeische Zeitrechnung" ist für Maichle der Ansatzpunkt seiner Nostradamusdeutung. Ohne an dieser Stelle zu sehr in die Details dieses Zeitmodells einzutauchen, das kann der Autor dem Leser weitaus besser verdeutlichen, gehen die Prophezeiungen wesentlich über das 21. Jahrhundert hinaus.

Obwohl es Ulrich Maichle dem Leser nicht immer leicht macht, gemeint ist hier das fröhliche Motto "Buch aufschlagen, lesen, Buch zuklappen", ist sein rationaler Ansatz der Deutung überaus positiv zu bewerten. Er legt sein Arbeitsmaterial offen vor, sowohl die von ihm benutzten Texte, als auch die verwendeten Computerprogramme. Es ist auf alle Fälle kein leicht zu lesendes Buch, aber das sind thematisch anspruchsvolle Werke ohnehin nie. Dies geht jedoch keinesfalls zu lasten des Autors, sondern ist der Ernsthaftigkeit des Themas geschuldet. Das Buch öffnet ein neues Kapitel der ernst zu nehmenden Nostradamusforschung. Der interessierte Leser kann jedenfalls auf die nun beginnenden Diskussionen in Fachkreisen gespannt sein.




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