Buchkritik -- Werner Maser -- Fälschung, Dichtung und Wahrheit über Hitler und Stalin

Umschlagfoto  -- Werner Maser  --  Fälschung, Dichtung und Wahrheit über Hitler und Stalin Die Aufgabe des Historikers besteht darin, unbeschadet von seiner eigenen Meinung die Geschichte so wiederzugeben, wie sie sich wirklich ereignet hat. Diese Darstellung sollte kein Tummelplatz für ideologisch geprägte Einstellungen oder persönliche Vorurteile sein. Natürlich wird sich je nach der vorhandenen Quellenlage der Kenntnisstand im Lauf der Zeit ändern. Heute noch unzugängliches oder unbekanntes Quellenmaterial wird die Höhe und die Qualität des zukünftigen Forschungsstand ausmachen. In diesem Fall trifft den Geschichtswissenschaftler keine Schuld wenn historischen Ereignissen eine falsche Einordnung zugewiesen wird.

Anders sieht es aus, wenn der Historiker bewußt geschichtliche Tatsachen und Zusammenhänge seiner eigenen politisch-ideologischen Einstellung unterwirft und daraus eine subjektiv geprägte "Geschichtsliteratur" produziert, die mit dem wirklichen Geschehen nichts mehr zu tun hat. Auf diese Weise wird aus der an sich beschreibenden und analysierenden Geschichtswissenschaft eine deutendes und ideologisch interpretierendes "Geschichtsorakel", das sich, je nach persönlichem Gusto, den ideologischen Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe anpassen läßt.

Die deutsche Geschichte der Zeit von 1933-1945 ist ein Beispiel für alle möglichen Geschichtsfälschungen und Manipulationen. Diese für Deutschland so verhängnisvollen zwölf Jahre seiner langen Geschichte sind ein beliebter Tummelplatz für Geschichtsspekulanten und ideologisch motivierte Geschichtsfälscher. Das sich damit auch sehr gut Geld verdienen läßt, zeigt das Beispiel von Daniel Goldhagen.

Einer der sich seit langem gegen eine die Tatsachen verfälschende Geschichtswissenschaft wendet, ist der renommierte und international anerkannte Historiker Werner Maser. Seine zahlreichen Veröffentlichungen zum Dritten Reich wurden in viele Sprachen übersetzt und haben seine Akzeptanz weit über die Grenzen Deutschlands hinaus manifestiert. Sein aktuelles Buch Fälschung, Dichtung und die Wahrheit über Hitler und Stalin ist ein weiterer Beweis seiner geschichtswissenschaftlichen Integrität.

Der Autor belegt mit zahlreichen Beispielen wie historische Fakten entweder unterdrückt oder geschickt manipuliert wurden. Alan Bullock und Hans Frank stellen in ihren Werken z. B. die Herkunft Hitlers entgegen den Tatsachen dar. Eine Beziehung Hitlers zu seinem jüdischen Mitschüler Ludwig Wittgenstein, wie sie Kimberley Cornish behauptet, gehört ebenso ins Reich der Phantasie wie ein Liverpoolaufenthalt Hitlers von 1912 bis 1913.

Ein Mensch wie Adolf Hitler fordert eine psychologische Betrachtung geradezu heraus, weshalb sich Erich Fromm genauso einer unzutreffenden Analyse bediente wie auch Rudolf Binion, der die "Endlösung der Judenfrage" auf einen Racheimpuls Hitlers für den Tod seiner Mutter zurückführen will. Neben diesen, den Anspruch von Wissenschaftlichkeit erhebenden Werken hat das angebliche Tagebuch der Eva Braun, verfasst von Luis Trenker geradezu Heiterkeitscharakter. Vollends zur Farce mutiert die Geschichte, wenn sich die UFO-Sekte der "Raelianer" dazu fähig erklärt, einen Klon von Adolf Hitler zu erschaffen.

Genüsslich aber fair ruft Werner Maser noch einmal das Debakel des Wochen-Magazins "Stern" ins Gedächtnis, daß im Jahr 1983 die angeblichen Tagebücher Hitlers veröffentlichen wollte. Ohne Rücksicht auf die berechtigten Zweifel der Fachwissenschaft sollte die Serie in Druck gehen und dem Verlag ein erkleckliches Sümmchen einbringen. Anstelle des erwarteten Geldregens blieb jedoch, wie wir alle wissen, nur Hohn und Spott für die Redaktion übrig. Für weitaus bedenklicher hält Werner Maser den verfälschenden und verkürzten Umgang des "ZDF-Geschichtspapstes" Guido Knopp. In seinen Sendungen zum Thema Drittes Reich steht die Form weit vor dem Inhalt. Multimedial geprägtem Geschichtsverständnis geht der Bezug zu den historischen Fakten verloren und der Zuschauer verharrt ausschließlich in der emotionalen Sphäre der geschickt zurecht geschnittenen Bilder. Mit seriöser Berichterstattung, wie angekündigt, hat das wenig, bzw. nichts zu tun. Diese Sendereihe war kein Meilenstein des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Einen großen Teil des Buches nimmt die historische Bewertung des deutsch-sowjetischen Kriegs ein. War es ein Präventiv- oder ein Angriffskrieg? Von russischer Seite immer noch als deutsche Aggression verstanden, stehen sich die Argumente von Juri Solnyschkow und Iwan Kusmin, beide Militärs und in ihrem Geschichtsverständnis der traditionellen stalinistisch orientierten Darstellung des "Großen Vaterländischen Kriegs" verpflichtet, auf der einen Seite und Werner Maser auf der anderen Seite gegenüber. Der Autor belegt eindeutig, daß die Deutsche Wehrmacht einem russischen Angriff nur wenige Wochen zuvorgekommen ist.

Ebenso ausführlich geht Werner Maser auf den Holocaust ein. Obwohl hier die Quellenlage seltsamerweise alles andere als befriedigend ist, ist sein Urteil eindeutig und absolut nachvollziehbar. Ohne Wissen Adolf Hitlers hätte die Vernichtungsmaschinerie niemals tätig werden können. Damit verbieten sich eigentlich alle diejenigen Argumente, welche die Mitschuld und das Mitwissen Hitlers daran in den Hintergrund stellen, oder gar bestreiten wollen. Speziell spricht Maser hier Martin Broszat und nach ihm Hans Mommsen an, die von einer Eigendynamik der NSDAP sprechen, die einen "Führerbefehl" überflüssig gemacht hat. Dem widerspricht Werner Maser vehement und behauptet zu Recht daß es niemand ohne den ausdrücklichen Befehl Hitlers gewagt hätte, diese Maßnahmen zu beschließen.

Das Buch räumt mit vielen Geschichtsfälschungen gründlich auf und bietet daneben auch ein Beispiel für einen korrekten Umgang mit den historischen Fakten. Diese verhängnisvollen zwölf Jahre des Nationalsozialismus und das Bemühen die verübten Verbrechen zu verstehen haben es auf der einen Seite geschichtswissenschaftlichen Scharlatanen sehr einfach gemacht ihre individuellen Theorien darüber zu veröffentlichen. Auf der anderen Seite hat dieses Bemühen jedoch auch verantwortungsbewußte Historiker dazu geführt, die Quellen unvoreingenommen zu studieren. Die Geschichte wird zwar immer von den Siegern geschrieben, doch Wissenschaftler wie Werner Maser überprüfen selber, ob die Diktion stimmt.




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