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Arne Dahl verführt in „Kaltes Fieber‟ zu einem Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Verbrechen. Sein Thriller bewegt sich nicht im simplen Feld der Kriminalliteratur, sondern öffnet Räume, in denen Mord und Ästhetik, Obsession und Gesellschaftskritik unauflöslich ineinander verschlungen sind. Was auf den ersten Blick wie die Jagd auf einen Serienmörder erscheint, entpuppt sich als düstere Meditation über Macht, Vergänglichkeit und die kalte Schönheit des Schreckens.
Die Morde selbst sind mehr als bloße Taten: Sie sind Inszenierungen. Wenn plötzlich Nachbildungen der sieben Weltwunder in der schwedischen Gegenwart auftauchen, getragen von atemberaubender Präzision und morbider Monumentalität, dann spricht aus ihnen eine doppelte Botschaft: die Hybris des Menschen, der sich zum Schöpfer aufschwingt, und die Grausamkeit, die aus dieser Hybris geboren wird. Kunst wird hier nicht gefeiert, sondern pervertiert, zum blutigen Ritual, das Zuschauer anlockt und zugleich verstört.
Dahl lässt sein Ensemble, die Nova Group, nicht bloß ermitteln, er lässt sie existieren. Sie sind keine Schachfiguren auf dem Brett des Autors, sondern polyphone Stimmen, jede von ihnen mit einem eigenen Klang. Besonders Lukas Frisell, der zurückgekehrte Eremit, und Annika „Ankan“ Stolt, deren verzweifelte Suche nach einem verschwundenen Kollegen zur Obsession wird, tragen eine existenzielle Schwere in die Handlung, die über den Kriminalfall hinausweist. Ihre Stimmen sind Spiegel der Zerbrechlichkeit des Menschen im Angesicht einer Welt, die zwischen Drogen, Gewalt und Profitgier taumelt.
Bemerkenswert ist die Balance, mit der Dahl Spannung und Reflexion zusammenführt. Während die Handlung immer wieder neue Rätsel und Puzzleteile ausstreut, verweigert sich der Roman doch jeder billigen Sensation. Stattdessen entfaltet er eine subtile Gesellschaftskritik: an der tödlichen Logik des Drogenmarktes, an einer Gegenwart, in der Menschenleben im Namen der Gier entwertet werden, und an der Kunstszene, deren Grenzüberschreitungen plötzlich mit tödlicher Konsequenz gespielt werden.
„Kaltes Fieber‟ ist ein Roman, der das Genre sprengt. Er ist Thriller und Allegorie zugleich, ein Werk, das die Mechanismen von Gewalt in monumentale Bilder gießt und damit etwas sichtbar macht, das weit über den Einzelfall hinausweist. Wer diesen Text liest, erlebt nicht nur Spannung, sondern wird hineingezogen in eine Reflexion über unsere Gegenwart, in der die Grenzen zwischen Spiel und Ernst, Kunst und Zerstörung, Leben und Tod verschwimmen.
Am Ende bleibt ein kaltes Frösteln, und die Erkenntnis, dass Arne Dahl längst nicht mehr bloß Kriminalromane schreibt, sondern literarische Parabeln über die Abgründe einer Gesellschaft, die ihre eigenen Wunderwerke im Schatten des Untergangs errichtet.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 9. September 2025