Buchkritik -- Carolyn Abbate / Roger Parker -- Eine Geschichte der Oper

Umschlagfoto, Carolyn Abbate/Roger Parker, Eine Geschichte der Oper. Die letzten 400 Jahre, InKulturA Wenn zwei bekennende Opernliebhaber ein Buch über ihre Passion veröffentlichen und darin unumwunden zugeben "Jeder, der in einer Opernaufführung sitzt, verspürt von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, den Gesang abschalten zu können", dann verdient deren Werk automatisch die erhöhte Aufmerksamkeit des Lesers.

Keine andere Kunstform ist so unrealistisch, so weit entrückt von jeglicher Wirklichkeit, wie die Oper. Da tummeln sich Nymphen in den Kulissen und da treiben Geister ihr Spiel. Tödlich Verletzte singen mit Inbrunst minutenlange Arien und die Wirren menschlicher Zuneigung, gnadenloser Hass und perfide Intrigen werden, anstelle gesprochener Dialoge, gesanglich vorgetragen.

Carolyn Abbate und Roger Parker haben dem Objekt ihrer Zuneigung ein Buch gewidmet. "Eine Geschichte der Oper. Die letzten 400 Jahre" unternimmt mit dem Leser eine launig geschriebene Reise durch die Entwicklung der Oper von ihren Anfängen im 16. Jahrhundert bis zur Moderne, die, wie die Autoren es bedauern, in erster Linie mit der Konservierung alter Opern beschäftigt ist und es sich aus finanziellen und anderen Gründen versagt, die Operntradition, die seit Jahrhunderten gepflegt und gefördert wurde, fortzusetzen und neu zu beleben.

Anfänglich für ein ausgesucht exklusives Publikum konzipiert, hat sich die Oper im Laufe der Zeit zu einem künstlerischen Medium entwickelt, das es verstanden hat, einen großen Zuhörerkreis zu erreichen.

Abbate und Parker unternehmen das Wagnis, der Geschichte der Oper in nur einem Band nachzuspüren. Das jedoch kommt dem interessierten Leser durchaus entgegen, hat er doch ein mehr oder weniger auf das Wesentliche konzentrierte Werk vor sich. Da passt es gut, dass das Autorenduo auf die sonst üblichen Notenbeispiele verzichtet und sich stattdessen auf wenige ausgesuchte Opern konzentriert.

Damit haben die beiden Musikhistoriker Carolyn Abbate (Harvard Universität) und Roger Parker (King’s College in London) ein informatives und kurzweiliges Buch geschrieben, dass dem Leser durch seine Anschaulichkeit und der Fülle an Informationen ein informatives Lesevergnügen garantiert. Aufgelockert mit zahlreichen Anekdoten aus dem direkten und indirekten Milieu der Oper, verzichtet das Buch auf eine trockene, rein akademische Abhandlung des Themas.

Die "Großen" des Opernbetriebs werden mit konkreten Text- und Musikbeispielen abgehandelt. Überhaupt gehen die Autoren ausführlich auf das Verhältnis zwischen Text und Musik ein, das seit dem Beginn der Operntradition ein überaus spannungsreiches ist und nicht nur unter Fachleuten immer noch für erregte Diskussionen sorgt.

Carolyn Abbate und Roger Parker halten sich - zum Vergnügen des aufmerksamen Lesers - nicht mit kritischen Bemerkungen bezüglich ihrer individuellen Präferenzen zurück. Die Opern Georg Friedrich Händels sind schematisch und verworren, Gioachino Rossini gar langatmig, Giacomo Puccini zu nationalistisch und Richard Wagner ein antisemitischer Hetzer, der aber, so geben es die Autoren jedoch gerne zu, verantwortlich für die Entwicklung der Oper seit dem 19. Jahrhundert gewesen ist. Leider gehen Abbate und Parker bezüglich der politischen Theorien Wagners, die untrennbar mit seinen künstlerischen Vorstellungen korrelieren, etwas zu nonchalant um.

Eine Übersicht vertiefender Opernliteratur und ein umfangreiches Register runden das Bild dieses gelungenen Buches ab. Doch, und das sei nicht verschwiegen, wer aus diesem Werk den größtmöglichen Erkenntnisgewinn ziehen möchte, der sollte mit den wichtigsten Opern ein wenig vertraut sein.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 23. Januar 2014