Philosophie Magazin -- 06/2017

Umschlagfoto, Philosophie Magazin, 06/2017 , InKulturA In politisch äußerst bewegten Zeiten steht diesmal ein eminent politisches Thema im Fokus der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazin. Pragmatismus oder die Bewertung einer Theorie ausschließlich an ihrem realem Erfolg, ist derzeit ein rares Gut bezüglich der aktuell angewandten Politik. Für die aus Amerika stammende und von Charles Sanders Peirce und William James begründete Denkrichtung - Peirce distanzierte sich jedoch bald von den Konsequenzen der pragmatischen Philosophie - stellen die Ergebnisse menschlichen Handelns den Messwert einer Idee dar. Nicht Ideologie, sondern praktischer Nutzen ist die Latte, an der sich vor allem Politik zu messen hat. Pragmatismus ist, im Gegensatz zu einer politischen Ideologie, im Kern eine nicht abgeschlossene Antizipation von Wahrheit, die sich stets an den Folgeerscheinungen menschlicher, das bedeutet auch und gerade fehlbarer Entscheidungen, messen lassen muss.

Und wie stellt sich diesbezüglich das politische Handeln der Kanzlerin dar? In seinem feinzüngigen Beitrag erinnert Nils Markwarth an Hans Vaihingers Werk "Die Philosophie des Als Ob" und merkt an, das "zwischen Kanzlerin und Bürgern eine Art demokratisches Doublebind - ein wohlwollendes, wechselseitiges Zugestehen blinder Flecke" existiert, so dass beide Parteien sich in der Hoffnung wiegen können, die getroffenen Entscheidungen wurden mit Sinn und Logik getroffen. Ob das ausreichend ist...?

Philanthropie unter Milliardären gehört derzeit zum guten Ton. Da macht natürlich auch Nicolas Berggruen keine Ausnahme und gründete bereits im Jahr 2010 in Los Angeles das Berggruen Institute. Seit 2016 vergibt es jährlich einen mit einer Million Dollar dotierten Philosophiepreis. Der nach seiner Zerschlagung der Kaufhausgruppe Karstadt in Deutschland nicht unumstrittene Investor hat, wie nicht wenige milliardenschwere Philanthropen, natürlich einen Hintergedanken: Globalisierung, Multikulturalismus und technischer Fortschritt müssen gegen den Widerstand, wie Berggruen es ausdrückt, "nationalistischer Einflüsse" durchgesetzt werden, da sie "sich langfristig sowieso nicht aufhalten lassen."

Damit liefert Berggruen, dessen philosophische Interessen und Neigungen, so jedenfalls wirkt es auf den Leser des Interviews, bestenfalls marginal zu nennen sind, natürlich den Kritikern eben der Globalisierung und des Multikulturalismus eine Steilvorlage, die darin hauptsächlich ein Projekt der globalen Finanzoligarchie sehen.

Dass die christliche Kirche, zumindest in Gestalt des Katholizismus, das Gebot der allumfassenden Nächstenliebe in Bezug auf Homosexualität nicht all zu genau nimmt, beschreibt Krzysztof Charamsa, der mit seinem Coming-out die Hoffnung verbindet, die katholische Kirche möge die Heuchelei bezüglich ihrer Sexualmoral zugunsten der Akzeptanz von, wie er es ausdrückt, "Priester und Priesterinnen, (...) die sich mit Männern oder Frauen vermählen können" aufgeben.

Pankaj Mishra, derzeit omnipräsent in den Medien, geht in seinem neuen Buch der Frage nach, warum überall auf der Welt immer größer werdende Gruppen "entfremdeter junger Männer" mit Wut und Zorn auf die globalen Veränderungen in Politik und Wirtschaft reagieren. Der indisch-britische Schriftsteller konstatiert, nicht zuletzt im Gegensatz zu Berggruens These von der nicht aufzuhaltenden Globalisierung, dass diese neben wenigen Gewinnern zahlreiche Verlierer und Abgehängte hinterlässt, die Gefahr laufen, sich im Netz von Demagogen zu verfangen und den Versprechen sog. einfacher Lösungen, d. h. die Anwendung von Gewalt und Terror, Glauben schenken.

Neben der Vorstellung wie immer interessanter und lebenswerter Bücher - z. B. Andreas Bernhard und sein Buch über die Lust individueller Selbstentblößung in der digitalen Welt - diesmal als Klassiker "Diderot, der fröhliche Materialist", der Lust, Liebe und Wein gegen die Verächter körperlichen Wohlbefindens, die Heuchler und Bigotten, verteidigt.

Philosophie Magazin, 2017, das sechste. Mein Rat: Kaufen, Lesen und diskutieren.





Veröffentlicht am 23. September 2017