Buchkritik -- Rolf Steininger -- Berlinkrise und Mauerbau

Umschlagfoto  -- Rolf Steininger  --  Berlinkrise und Mauerbau Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Stadt Berlin aufgrund ihrer geopolitischen Lage der Ort, an dem die Interessen der UdSSR und der USA direkt aufeinander trafen. Sie stellte in den Ost-West-Beziehungen, genauer gesagt in den Konflikten der beiden Machtblöcke, den Punkt dar, an dem die rivalisierenden Großmächte ihre Interessen und politischen Ziele stellvertretend ausfechten konnten.

Seit dem 12. September 1944 war Berlin gemäß dem "Londoner Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin" in einen amerikanischen, englischen und sowjetischen Sektor unterteilt.

Im August 1958 forderte Chruschtschow mit einem Schreiben an die USA die sofortige Nichteinbeziehung West-Berlins in völkerrechtliche Verträge der BRD. Im November wurde er noch deutlicher und stellte die Forderungen, West-Berlin zu einer "Freien Stadt" zu erklären, entmilitarisiert und neutral von der BRD.

Rolf Steininger rekapituliert in seinem, inzwischen in der vierten Auflage vorliegenden Buch Berlinkrise und Mauerbau die Zeit von 1958 bis 1963. Er macht deutlich, dass es Chruschtschow nicht primär um die Vertreibung der Westmächte aus Berlin ging, sondern vielmehr sollte ihm die politische Situation West-Berlins dazu dienen, seine Forderungen nach der Verhinderung der atomaren Aufrüstung der Bundeswehr und eines, nur von ihm wahrgenommenen, Wiedererstarkens des westdeutschen Militarismus zu verhindern. In diesem Punkt waren sich die USA und die UdSSR seltsam einig, auch wenn sich ihre politischen Handlungen und Ziele unterschieden. Chruschtschows Pläne fanden einzig bei den Briten offene Ohren und reges Interesse.

Der Autor zeigt, dass der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer dem britischen Premierminister Harold Macmillan mißtraute. Diese Antipathie beruhte auf vollkommener Gegenseitigkeit. Es war überraschenderweise der französische Präsident De Gaulle, welcher das Ziel Adenauers, kein Nachgeben gegenüber der UdSSR, vertrat.

Während Diplomaten und Politiker damit beschäftigt waren, die Berlinkrise zu bewältigen und Chruschtschows Expansionsbestrebungen einzudämmen, stimmten die betroffenen Menschen, besonders diejenigen die in der DDR oder Ostberlin lebten, mit den Füßen ab und verließen ihr Land, bzw. ihre Stadt. Der Aderlass, den Ostberlin vor dem Mauerbau zu verkraften hatte, war enorm. Aus Sicht der damaligen DDR-Führung unter Walter Ulbricht musste dagegen etwas unternommen werden. Am 13. August 1961 wurde dann auch der, wie die DDR ihn nannte "antifaschistische Schutzwall" gebaut.

Der Mauerbau stellte nach anfänglichen Irritationen zwischen der UdSSR und den USA, die bei weniger Besonnenheit der Beteiligten den Beginn des dritten Weltkrieges bedeutet hätte, kurioserweise eine Beruhigung im Verhältnis der beiden Großmächte dar - zu Lasten Deutschlands. Chruschtschow stellte keine weiteren Forderungen und Kennedy war nicht bereit "wegen einer Autobahn" einen Atomkrieg zu riskieren.

Der 13. August 1961 stellte ebenso das Scheitern der Politik zweier "Hardliner", Adenauer und Ulbricht, dar. Beide konnten ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen und störten als Personen wohl auch das neue Verhältnis zwischen den Großmächten. So ist es richtig, wenn der Autor den Tag des Mauerbaus als Ausgangspunkt einer neuen Realität sieht. Einer Realität allerdings, welche den Deutschen deutlich vor Augen führte, welch kleinen Anteil sie politisch an der Nachkriegsgeschichte ihres Landes hatten und die erst mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 beendet war.

Rolf Steininger hat die historische Phase von 1958 bis 1963 in all ihren Facetten ausgeleuchtet und akribisch beschrieben. Für den Leser stellt dieses Buch ein Vergnügen und eine Informationsquelle zugleich dar. Es ist genauso spannend geschrieben wie es der historische Kontext verlangt. Zugleich gibt es Einblicke in die Welt der (Krisen)Diplomatie in der es oft menschliche Schwächen oder Eitelkeiten sind, welche den Fortschritt verhindern.

In der bipolaren Welt in der Mitte des 20. Jahrhunderts waren sich die Politiker ihrer Verantwortung angesichts eines nuklear geführten Dritten Weltkriegs bewußt. Ob man sich dessen in einer multipolaren Welt noch sicher sein kann, darf bezweifelt werden.




Meine Bewertung:Bewertung


Weitere Bücher von Rolf Steininger:Die Kubakrise 1962