Buchkritik -- Rüdiger Safranski -- Nietzsche

Umschlagfoto  -- Rüdiger Safranski  --  Nietzsche Die Literatur über Nietzsche füllt ganze Bibliotheken. Sein aphoristischer Schreibstil machte seine Gedanken für diejenigen anfällig, die ihn für ihre eigenen Zwecke mißbrauchen wollten. Das tragische Schicksal der Philosophie Nietzsches besteht in dem Eklektizismus, mit dem seine Gedanken verfälscht, verflacht und rezipiert wurden. Erst seit wenigen Jahren kann man eine philosophische Richtung verfolgen, die bereit ist, sich mit seinem Werk unideologisch zu beschäftigen.

Rüdiger Safranski trägt mit seinem Buch Nietzsche wesentlich dazu bei. Es ist, wie schon der Untertitel Biographie seines Denkens anklingen läßt, keine primäre Lebensbeschreibung die das Werk mit einschließt, sondern eine Werkbeschreibung, die das Leben mit einschließt. Im Mittelpunkt steht das Denken und die Philosophie Nietzsches. Dort wo es für das Verständnis seiner Gedanken notwendig ist, greift Safranski auch auf die Lebensumstände des Philosophen zurück. So z. B. sein Verhältnis zu Wagner, bzw. der spätere Bruch dieser Beziehung und das problematische Verhältnis zu seiner Schwester, die nach seinem Tod die Verwalterin (und Verfälscherin) seines Nachlass wurde.

Dem Autor gelingt es aufgrund dessen hervorragend, dem Leser, auch dem bislang Nietzsche Unkundigen, diesen Philosophen näher zu bringen. Einfühlsam dringt er in Gedankenwelt dieses großen Denkers ein und zeigt das Spannungsverhältnis, in dem Nietzsche gestanden hat und an dem er letztlich auch zerbrochen ist.

Safranski schildert einen Menschen, der mit seiner Philosophie darangehen wollte, das Verhältnis zwischen dem Ich und der Welt zu erklären. Nietzsche entwarf, verwarf, verzweifelte und scheiterte individuell. Zu seinen Lebzeiten war er nur wenigen bekannt. Das traf den selbsternannten "Umwerter aller Werte" ganz besonders.

In dieser "Werkbiographie" wird das Ringen des Philologen Nietzsche um die richtigen Wörter beklemmend deutlich. Da sich der Philosoph auf bislang unbekanntes Terrain begab, mußte er sich die Worte dafür mühsam abringen. Wer Nietzsche liest, der wird bemerken, daß viele seiner Sätze eher Melodien ähneln, als einer trockenen Sprache der Philosophie. Dies herausgearbeitet zu haben, ist ein weiterer Verdienst von Safranski.

Der Anti-Metaphysiker Nietzsche entging jedoch nicht der Falle, welche die Philosophie denjenigen stellt, die sich darum bemühen, ihr Denken ohne Bezug auf ein metaphysisches Axiom zu begründen. Gerade dies aber ist Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft. Hier ist der Philosoph, der sich doch so überaus stark für das Verständnis der menschlichen Dispositionen aus dem Hier und Jetzt eingesetzt hat, der Verzweiflung und der Angst vor der Leere und Kälte des Universums zusammengebrochen und mit ihm Safranski, der die ewige Wiederkehr ebenfalls als zentralen Punkt in Nietzsches Philosophie betrachtet.

Nietzsche, sicherlich auch ein problematische Denker, hat zweifelsohne den Menschen und seine Lebenshilfen, besser gesagt, seine Lebenslügen, entzaubert. Seine Meinung von der Masse der Menschen war sicher nicht über jeden Zweifel erhaben, doch ihm gelang es, ein Individuum zu schildern, das sich dessen bewußt ist, in einem sinnentleerten, gleichgültigen Universum zu leben, dazu verdammt, sich selber Werte zu schaffen.

Rüdiger Safranski zeigt dieses Ringen Nietzsches mit sich selber und mit der Welt. Es sollte ein Kampf werden, den der Philosoph nicht gewinnen konnte. Das Buch eine einfühlsame Schilderung dieses einsamen Philosophen und seines letztendlichen Scheiterns.




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