Buchkritik -- Michael Sandel -- Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun

Umschlagfoto Michael Sandel, Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun Nach dem Verkaufserfolg seines letzten Buches "Was man für Geld nicht kaufen kann" hat der Ullstein Verlag jetzt ein bereits im Jahr 2009 veröffentlichtes Werk von Michael J. Sandel ins Deutsche übersetzt und auf den Markt gebracht. "Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun" soll, so anscheinend die Intention des Verlags, an die bereits erzielten Umsatzzahlen anknüpfen.

Es ist, besonders in Deutschland, lange her, dass ein Philosophieprofessor mit seinen Büchern solch eine Furore gemacht hat. Fachphilosophen neigen dazu, sich eher zurückgezogen in fachwissenschaftlichen Zirkeln zu artikulieren und sich dabei einer, dem Normalverbraucher unverständlichen Sprache zu bedienen und mehr oder weniger abgehoben von der gesellschaftlichen Realität zu forschen. Sandel dagegen geht offensiv auf sein Publikum zu und eilt durch seine argumentative Bodenständigkeit von Erfolg zu Erfolg. Das mag zum einen daran liegen, dass es in der angloamerikanische Philosophietradition liegt, sich eher mit den Fragen der Praktischen Philosophie zu beschäftigen und weniger mit den abstrakten Problemen, die, typisch Deutsch, als "Gedankentiefe" sowohl in der Politik - in den klassischen Geisteswissenschaften sowieso - als auch im gesellschaftlichen Diskurs das schwere Erbe des Deutschen Idealismus darstellen.

Wie steht es nun mit der Gerechtigkeit? Bekommt der Leser einen Eindruck davon, wie Sandel sie definiert oder erhält er gar einen neuen, bislang nicht erforschten Gedanken bezüglich seines ethischen Handeln? Nein, wer diese Hoffnung hegt, wird enttäuscht. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Buch sein Thema verfehlt hat. Im Gegenteil, es ist ein wunderbar zu lesender Exkurs in die Moralphilosophie.

Wie sonst nirgendwo, prallen hier unterschiedliche Menschenbilder aufeinander und aus den daraus resultierenden Vorstellungen ergeben sich zwangsläufig mehr Fragen als Antworten. Richtig leben, geht das Überhaupt? Michael Sandel nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte der Ethik. Natürlich beginnt die bei Aristoteles, führt über Kant und endet, zumindest für Sandel, bei den Thesen von Rawls.

Verschiedene Gerechtigkeitstheorien werden vergleichend dargestellt und anhand vieler Beispiele moralische Zwickmühlen aufgezeigt, deren Lösung nur auf den ersten Blick einfach erscheint. "Gerechtigkeit: Wie wir das Richtige tun" ist ein Werk, das sich in erster Linie mit den philosophiegeschichtlich relevanten Autoren beschäftigt und weniger die Ausarbeitung einer Theorie der Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel Sandels.

Wer sich darüber im Klaren ist, das er in diesem Buch keine "ewigen Wahrheiten" finden wird, sondern mehr oder weniger nur einen Überblick über die grundlegenden Theorien der Gerechtigkeit, der ist damit gut bedient. Es gelingt dem Autor sogar, der etwas spröden Diktion Kants die Schärfe zu nehmen und dessen Imperative auch Lesern näher zu bringen, die über wenig Kenntnisse der philosophischen Fachterminologie verfügen. Das ist doch schon mal was.




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