Buchkritik -- Elazar Benyoëtz -- Sandkronen

Umschlagfoto  -- Elazar Benyoëtz  --  Sandkronen Was bleibt zu sagen übrig, wenn scheinbar alles gesagt worden ist? Wenn die Worte zu einem Ende gekommen sind und in der darauf folgenden Stille das Individuum dazu gezwungen ist, mit sich selber das Zurechtkommen zu suchen? Alles bleibt übrig, denn die verbalen Konstruktionen sind jenseits dessen, was sie zum Ausdruck bringen wollen, eher halbwertigzeitig. Das, was zur Sprache kommt und das, was geschrieben wird, ist nur ein Vordergründiges, ein Rekurs, der sich ausschließlich auf das Banale der existentiellen Öffentlichkeit bezieht.

Elazar Benyoëtz geht in seinem Buch Sandkronen hinter die Bühne der sprachlichen Oberflächlichkeit und entzieht ihr den Vorhang der Beliebigkeit. Sein Ausgangspunkt dabei ist immer wieder das vom Scheitern und vom Unverständnis bedrohte Verhältnis zwischen dem Individuum und dessen Suche nach Verortung und Sinn. Dieser Spannungsbogen, der allzu oft von der Belanglosigkeit des Alltäglichen korrumpiert wird, bedarf einer Wiederentdeckung, deren Suche das Lebenswerk dieses, vorwiegend in deutscher Sprache veröffentlichenden, hebräischen Dichters ausmacht.

Das "Ich" und das "Andere", die Festlegung des Verhältnisses zwischen dem Individuum mit seiner zeitlichen, d. h. endlichen Dimension und dem, was Benyoëtz sich nicht scheut "Gott" zu nennen, ist die Essenz dieser literarischen Suche, die, leise aber sprachmächtig, zwischen Poesie und Aphorismus angesiedelt ist.

"Kein Satz kann je ein Wort ersetzen; kein Satz lässt uns mit einem Wort allein". Es ist das Ringen um die Wörter zur Beschreibung dessen, was, oberflächlich betrachtet, der Sprache sich immer wieder entzieht und nur im stillen Dialog zwischen dem "Ich" und seinem "Gott" abgehandelt werden kann.

Sandkronen ist von diesem Ringen um das richtige Wort weit entfernt, sondern eher das Wissen, gleichsam die Quintessenz des Lebens desjenigen, für den das Verhältnis zwischen sich und seinem Gott in der Transzendenz der individuellen Befangenheit liegt, die letztendlich die Akzeptanz dessen bedeutet, dass das "Ich" ohne Bezug auf das Göttliche eine nur noch irrlichternde Existenz führen kann. "Im Dunkeln ist auch das Scheinheilige ein Lichtpunkt" .

Die sprachliche Eleganz wird nur noch übertroffen von der Ferne - nicht nur - zum literarischen Zeitgeist. Wenn das Öbszöne, das Banale und in dessen Gefolge das Triviale zum Ereignis, zum Event, hochstilisiert wird, dann wird ein Buch wie das von Elazar Benyoëtz zum Fanal gegen das Mediokre. Es sperrt sich gegen den schnellen Lesekonsum und erfordert weniger den typischen Leser, als vielmehr den zum Hören und Verstehen fähigen Rezipienten, der dazu bereit ist, sich mit dem Dichter auf die Suche, auf das Aufspüren nach dem zu machen, was wir als längst vergessen betrachtet haben.




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