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Heinrich Steinfests neuester Roman „Das schwarze Manuskript" entfaltet sich als eine meisterhafte Parabel über die Suche nach authentischer Existenz in einer von Oberflächlichkeit und Materialismus geprägten Welt. Der österreichische Autor, dessen literarisches Schaffen bereits mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis gewürdigt wurde, präsentiert mit diesem Werk eine vielschichtige Erzählung, die weit über die Grenzen konventioneller Genreliteratur hinausreicht.
Im Zentrum der Handlung steht Ashok Oswald, ein Mann von gemischter indisch-österreichischer Herkunft, dessen Biographie exemplarisch für die Entfremdung des modernen Wirtschaftsmagnaten steht. Als Vorstandsvorsitzender eines international operierenden Mischkonzerns, dessen Geschäftsfelder sich von der Nahrungsmittelproduktion bis hin zur Waffenindustrie erstrecken, verkörpert Oswald jenen Typus des globalisierten Kapitalisten, der zwar über immense Macht und Reichtum verfügt, jedoch jeglichen Bezug zu menschlicher Wärme und authentischen Beziehungen verloren hat.
Die existenzielle Leere seines Daseins manifestiert sich in der Auflösung seiner zweiten Ehe – seine deutlich jüngere Gattin verlässt ihn ausgerechnet mit ihrem Scheidungsanwalt –, sowie in seinem distanzierten Verhältnis zu seinen beiden Söhnen aus erster Ehe. Mit bemerkenswerter Selbstreflexion gesteht Oswald ein, dass er diese nicht zu lieben vermag. Einzig seine erlesene Kunstsammlung scheint ihm noch emotionale Regungen zu entlocken, was die Verarmung seiner Gefühlswelt umso deutlicher unterstreicht.
Der Wendepunkt seiner Existenz manifestiert sich in der Gestalt eines brutalen Trios – zwei Männer und eine besonders gewaltbereite Frau –, das mit unverhohlener Drohgebärde die Herausgabe eines Manuskripts fordert. Dieses literarische Dokument war Oswald Jahre zuvor von einer flüchtigen Bekanntschaft mit der eindringlichen Bitte anvertraut worden, es niemals zu lesen. Die Konfrontation mit diesen finsteren Gestalten wirkt als Katalysator für eine radikale Neuorientierung seines Lebens.
In einem Akt der Selbstbefreiung vollzieht Oswald einen drastischen Bruch mit seiner bisherigen Existenz. Er tritt von sämtlichen Führungspositionen zurück und wendet sich einer Aufgabe zu, die ihn aus den sterilen Sphären der Konzernwelt in die unberechenbare Realität des Lebens führt. Eine langjährige Freundin eröffnet ihm, dass der vermeintlich verstorbene Autor des mysteriösen Manuskripts seinen Tod lediglich inszeniert hatte, nachdem auch er die unangenehme Bekanntschaft mit dem erwähnten Trio gemacht hatte.
Die sich anschließende Suche nach dem Schriftsteller, der nun unter anderem Namen als Kommentator der irischen Sportart Hurling sein Auskommen findet, entwickelt sich zu einer irrwitzigen Odyssee durch die Absurditäten des modernen Lebens. Steinfest nutzt diese Reise geschickt, um seinen Protagonisten – und mit ihm den Leser – durch ein Panoptikum gesellschaftlicher Widersprüche zu führen.
Besonders gelungen ist die ironische Wendung, dass Oswald sich genötigt sieht, mit einer Billigfluggesellschaft zu reisen, an der sein eigener Konzern Anteile hält. Diese Erfahrung empfindet er als gerechte Vergeltung für ein Leben, das sich bislang in den privilegierten Sphären von Privatjets, opulenten Geschäftsessen und exklusiven Zirkeln der Macht und des Reichtums abgespielt hatte.
Heinrich Steinfest erweist sich einmal mehr als Meister der subtilen Gesellschaftskritik. Mit einer Feder, die gleichermaßen spitz wie versöhnlich geführt wird, zeichnet er ein facettenreiches Panorama menschlicher Skurrilitäten und jener haarsträubenden Zufälle, die das Leben bereithält. Seine Darstellung der Widerstände und Umwege, die Oswald schließlich zum Autor des schwarzen Manuskripts führen, zeugt von einem tiefen Verständnis für die Paradoxien der menschlichen Existenz.
Der Roman besticht durch seinen pointierten Humor und die virtuose Art, mit der Steinfest das scheinbar Banale und Alltägliche in den Rang des Außergewöhnlichen erhebt. Seine pittoresken Beschreibungen verleihen selbst den trivialsten Begebenheiten eine literarische Dignität, die den Leser immer wieder zum Schmunzeln und gleichzeitig zum Nachdenken anregt.
Natürlich gewährt der Autor seinen Lesern schließlich Einblick in den Inhalt jenes geheimnisvollen Manuskripts, das vor Jahren geschrieben, jedoch niemals veröffentlicht wurde. Der Grund für diese Zurückhaltung entpuppt sich als eine jener überraschenden Wendungen, für die Steinfests Werk bekannt ist und die Kenner seines literarischen Schaffens zu schätzen wissen.
„Das schwarze Manuskript" etabliert sich als ein Werk von bemerkenswerter literarischer Qualität, das die Grenzen zwischen Unterhaltung und anspruchsvoller Literatur mühelos überwindet. Es ist ein Roman, der sowohl durch seine erzählerische Brillanz als auch durch seine gesellschaftskritische Tiefe zu überzeugen weiß .Deshalb eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die literarische Qualität zu schätzen wissen.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 25. September 2025