Buchkritik -- Dave Eggers -- The Circle

Umschlagfoto, Dave Eggers, The Circle, InKulturA Ist eine schöne neue Welt wirklich möglich? Der Internetkonzern "Circle" arbeitet jedenfalls mit Hochdruck daran. Nachdem er die Konkurrenten wie Google, Apple, Facebook und Twitter aufgekauft, geschluckt oder in die Bedeutungslosigkeit verdrängt hat, macht er sich daran, die Welt mit einem allumfassenden Netz aus Informationen privater, politischer und wirtschaftlicher Natur zu versorgen.

Die 24-jährige Mae Holland erhält beim "Circle" einen Job und macht sich mit Feuereifer daran, ihren Vorgesetzten zu beweisen, dass sie gut daran taten, ausgerechnet sie aus dem Bewerberpool auszuwählen. Anfangs skeptisch, identifiziert sie sich im Lauf der Zeit immer mehr mit den Zielen des Konzerns.

Dave Eggers will mit seinem Roman"The Circle" vor den Gefahren der nahezu freiwilligen Datenabgabe an einen mächtigen Konzern warnen. Dabei schießt er allerdings weit über das Ziel hinaus und legt ein Buch vor, dass über weite Stellen von Plattitüden nur so wimmelt. Der Konzern gibt sich locker und seine Mitarbeiter verfügen über zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Flipperautomaten, Basketballkörbe und sonstige Spielereien erinnern an die Firmenzentralen von Microsoft und Konsorten.

Die Mitarbeiter sind überwiegend jüngeren Alters und geben sich cool und locker, stehen in Wahrheit jedoch unter erheblichem Druck der Konzernführung, die von ihnen permanent Höchstleistungen verlangt. Spitzenköche sorgen für das leibliche Wohl und angesagte - oder alternde - Popstars geben Gratiskonzerte. Nahezu jeden Abend werden nach Feierabend Partys gefeiert und die Abwesenheit der Mitarbeiter wird nicht gern gesehen.

Hat Dave Eggers bereits hier mächtig von den Internetkonzernen der Gegenwart abgekupfert, so hat er mit der Figur der Mae Holland eine austauschbare Abziehpuppe kreiert, die im Lauf der Handlung den Leser mehr als einmal aufstöhnen lässt ob ihrer Naivität und der Unfähigkeit, ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Vielleicht liegt es ja daran, dass Eggers nicht dazu in der Lage ist, seinen Figuren Tiefe und Charakter zu verleihen. So plätschert die Handlung seicht dahin, unterbrochen von den unbeholfenen Versuchen Maes eine richtige Beziehung aufzubauen, was den Leser einmal mehr nerven dürfte.

Natürlich, und das beschreibt Dave Eggers durchaus korrekt, ist die Verfügbarkeit eines einzigen Konzerns über nahezu alle Daten kritisch zu beurteilen, zumal immer mehr Menschen diese dem Unternehmen freiwillig überlassen, in der Hoffnung, dadurch eine bessere Welt zu schaffen, in der es weniger Kriminalität und Gewalt gibt.

Mae Holland wird zur Vorzeigemitarbeiterin, weil sie es als erste wagt, ihr Leben für die Allgemeinheit vollkommen transparent zu machen. Die Grenze zwischen Privatsphäre und öffentlichem Auftreten verschwindet und jeder erhält den vollen Zugriff auf das Leben der anderen.

Und hier erhält der Roman endlich Schwung und Brisanz. Dave Eggers gelingt es, vor dieser drohenden, gar nicht so schönen neuen Welt zu warnen. Alle sind trunken vor den mannigfaltigen Möglichkeiten, die der Konzern anbietet und übertreffen sich gegenseitig mit Vorschlägen zur Verbesserung der Sicherheit. Präventive Verbrechensabwehr - Minority Report lässt grüßen - und eine vollständige Kontrolle des Einzelnen, die im Prinzip bereits jetzt die Schlinge eines zukünftigen Überwachungsstaates oder, wie im Fall des "Circle", eines Überwachungskonzerns um den Hals des Bürgers legt, werden von der Allgemeinheit vehement bejubelt. Der von Mae enthusiastisch vorgetragene Slogan "Alles Private ist Diebstahl" besiegelt dann auch die freiwillige Preisgabe jeglicher individueller Daten.

"The Circle" von Dave Eggers ist ein Roman, der, bis er endlich zum Kern seiner Aussage kommt, den Leser auf vielen Seiten zum Durchhalten zwingt. Das ändert nichts an der Aktualität des Themas, ist jedoch oft ärgerlich.




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Veröffentlicht am 31. August 2014