Buchkritik -- Holger Th. Gräf/Ralf Pröve -- Wege ins Ungewisse

Umschlagfoto  -- Holger Th. Gräf/Ralf Pröve  --  Wege ins Ungewisse Wer heutzutage in ein Flugzeug steigt oder sich ins Auto setzt um eine Reise zu machen, der macht sich in der Regel keine Gedanken darüber, wie sich die Kultur und die Bedingungen des Reisens im Lauf der Zeit geändert haben. Holger Thomas Gräf und Ralf Pröve haben dies in ihrem Buch Wege ins Ungewisse, Eine Kulturgeschichte des Reisens 1500 - 1800 getan. In diesem überaus interessanten Werk zeigen die Autoren, wie sehr der Begriff des Reisens einer Veränderung unterworfen war. War es noch im 16. und 17. Jahrhundert ein Wagnis, sich auf eine lange Reise zu begeben, so denkt der moderne Mensch nicht mehr allzuviel darüber nach, wenn er das Flugzeug in Richtung exotischer Länder besteigt.

Gräf und Pröve gehen akribisch, aber doch mit sehr gut lesbarer Intention dem Reisen in der Zeit zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit auf die Spur. Sie beschreiben die Menschen, welche sich auf Reisen begeben mußten, die Vorbereitungen, die sie treffen mußten, Verkehrswege und -mittel, die Gefahren und Hindernisse, die sich auf diesen Fahrten, bzw. Wanderungen ergaben und das Verhältnis des damaligen Menschen zu Raum und Zeit.

Wer kann es sich heute z. B. vorstellen, daß viele Menschen damals vor einer Reise ihr Testament machten, denn es war nicht unwahrscheinlich, daß sie ihre Familien nicht wiedersehen würden. Sie konnten aufgrund mangelnder Wegekarten, unzureichender Kleidung, Klimaumstürzen, Verbrecherbanden und Krankheiten im wahrsten Sinn auf der Strecke bleiben. Gasthöfe und Unterkünfte entwickelten sich erst sehr langsam.

Trotz fehlender Straßenverbindungen und heutzutage mangelhaft anmutender Infrastrukturen war das ausgehende Mittelalter bereits von einer erstaunlichen Mobilität gekennzeichnet. Studenten, Handwerksburschen, Priester, Kaufleute und Landskechte, sie alle bevölkerten die europäischen Fernstraßen. Nicht nur zu Lande, ob zu Fuß oder in Kutschen, entwickelte sich die Kultur des Reisens. Auch die vorhandenen Wasserstraßen wurden in zunehmendem Maß genutzt. Binnen- und küstennahe Gewässer dienten vermehrt dem Transport von Waren und Personen.

Anhand von Aussagen zeitgenössischer Reisender und Darstellungen in Bildern und Zeichnungen führen Gräf und Pröve dem Leser ein anschauliches Bild der damaligen Zeiten vor Augen. Er nimmt lebhaft Anteil an den Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten des früheren Reisens. Er sieht nahezu unüberwindlich scheinende Alpenpässe vor sich aufsteigen, genauso wie er die ungezieferverseuchten Gasthöfe nachempfinden kann. Den Autoren ist es gelungen vor den Augen des Lesers ein realistisches Bild der Schwierigkeiten zu entwerfen, mit denen unsere Vorfahren zu kämpfen hatten, wenn sich sich auf eine Reise begaben. Den modernen Begriff der Erholung und des Vergnügens verband damals noch niemand mit dem Reisen. So ändern sich halt die Zeiten.




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