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Buchkritik -- Andreas Brandhorst -- Der Riss

Umschlagfoto, Buchkritik, Andreas Brandhorst, Der Riss, InKulturA Die rote Pille oder die blaue? Aufwachen und die ungeschminkte Wahrheit sehen oder zufrieden weiterschlafen? So einfach wie für Neo im Sci-Fi-Klassiker „Matrix“ ist es für Flynn Darkster und seine Freunde dann doch nicht. Die müssen nämlich hart daran arbeiten, dass die Welt nicht einfach abgeschaltet wird.

Abgeschaltet? Eines nach dem anderen. Flynn, vorbestraft wegen Hackens und den US-amerikanischen Behörden kein Unbekannter, betreibt in Kanada eine kleine Firma, die anderen Unternehmen die Schwachstellen der von ihnen benutzten Software zeigt.

Doch einmal Hacker, immer Hacker, nimmt er weiterhin an einer „Challenge“ teil, deren Ziel das Eindringen in die sehr gut geschützten Systeme des Pentagon ist und dem- oder derjenigen, denen es gelingt die digitale Krone zuspricht.

Leider geht das schief und Flynn befindet sich inmitten in der ihm aufgestellten Falle. Entweder Mitarbeit an einem geheimen Projekt der Regierung oder Knast auf lange Zeit. Widerwillig machen er und seine Freunde, denen wegen Mittäterschaft das gleiche Schicksal droht, den Deal mit der Regierung, merken jedoch schnell, dass das Geheimprojekt einem ganz anderen, einem viel brisanterem Ziel dient.

Es gibt Anzeichen, dass die Welt nur eine Computersimulation ist; das was für die Realität gehalten wird also nur das Ergebnis von Bits und Bytes ist und die Wirklichkeit eine von Unbekannten erzeugte Täuschung.

Es beginnt eine temporeiche Jagd nach den Urhebern des Programms, an der sich viele Akteure beteiligen, denn wer es zuerst schafft in den Besitz des „Genesis-Algorithmus“ zu gelangen, dem gehört die Möglichkeit, die Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Klar, dass sich nicht nur Regierungen, sondern auch kriminelle Organisationen an der fieberhaften Suche beteiligen.

Wer die Bücher von Andreas Brandhorst kennt, der weiß, dass ihn auch diesmal wieder ein Thriller erwartet, der hart an der wissenschaftlichen und cybertechnischen Realität geschrieben ist. „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ – Paul Watzlawick – ; dieser Frage müssen Flynn und seine Freunde so schnell wie möglich herausfinden, denn das große Abschalten hat bereits begonnen und das, was alle für die Welt gehalten haben, wird, im sprichwörtliche Sinn, immer kleiner.

Es ist ein wilder und anspruchsvoller Ritt, den die Leserinnen und Leser gerade im ersten Drittel des Buches mitmachen. (Keine Angst, denn die wissenschaftlichen Termini werden im Anhang erklärt) Quantenphysik, Künstliche Intelligenz und der aktuelle Forschungsstand hinsichtlich der grundlegenden Fragen unseres Universums und unserer Existenz werden ebenso behandelt, wie die Frage, ob ein weit entwickelter „Geist in der Maschine“ eine Gefahr oder eine Hilfe für die Menschheit darstellt.

Der zentrale Punkt ist die Einsicht, dass die Wissenschaft heute an ihre Grenzen stößt, wenn es darum geht, das vollständige Verständnis des Universums und seiner Wechselwirkungen zu erlangen. Zahlreiche Versuche wurden unternommen, um die fundamentalen Strukturen und Kräfte zu erklären, die das Universum formen. Wenn man die Vorstellung eines göttlichen Plans außen vor lässt – was viele tun, aber die Frage aufwirft, warum dies der Fall ist – bleibt nur die Möglichkeit, dass der Ursprung von allem auf Zufall basiert.

Eine der aktuell diskutierten Hypothesen ist die Theorie des Multiversums. Diese besagt, dass unser Universum nicht das einzige ist, sondern dass es eine Vielzahl von Universen gibt, die parallel existieren. Diese Universen könnten unterschiedliche physikalische Gesetze und Konstanten aufweisen, und wir leben zufällig in einem, das Bedingungen hat, die Leben ermöglichen. Diese Idee hilft, das sogenannte Feinabstimmungsproblem zu erklären, bei dem es darum geht, warum die Naturgesetze genau so sind, dass Leben entstehen konnte.

Eine weitere mögliche Erklärung ist die Suche nach einer Weltformel, einem noch unbekannten Naturgesetz, das alle physikalischen Phänomene vereint. Diese Theorie könnte auch mit dem Konzept eines holographischen Universums verknüpft sein. Laut dieser Hypothese könnte unsere dreidimensionale Realität nur eine Projektion von Informationen sein, die auf einer zweidimensionalen Oberfläche im Universum gespeichert sind. Dies würde bedeuten, dass das Universum in seiner grundlegenden Struktur viel komplexer ist, als wir es mit unseren Sinnen und unserem Verstand erfassen können. Solche Theorien sind in der theoretischen Physik weit verbreitet, finden aber bislang wenig empirische Bestätigung.

Schließlich gibt es noch die Matrix-Theorie, die durch die gleichnamigen Filme und die Science-Fiction-Literatur populär geworden ist. Diese Theorie schlägt vor, dass unsere gesamte Realität eine Art Simulation ist, erschaffen von einer höheren Intelligenz oder Zivilisation. In dieser Vorstellung wären wir lediglich Teil eines gigantischen Computerprogramms, ohne die Möglichkeit, die wahre Natur der Realität zu erkennen. Andreas Brandhorst greift dieses Szenario in seinem Thriller auf und entwickelt daraus eine spannungsgeladene Handlung, die den philosophischen und wissenschaftlichen Diskurs aufgreift.




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Veröffentlicht am 3. Oktober 2024