Buchkritik -- Armin Fuhrer -- Ernst Thälmann

Umschlagfoto  -- Armin Fuhrer  --  Ernst Thälmann Ernst Thälmann ist bis heute eine Ikone der - politisch rückwärts gewandten - kommunistischen Bewegung in Deutschland. Nicht nur die vielen nach dem Vorsitzenden der KPD genannten Straßen in Deutschland geben Zeugnis von der noch immer großen Verehrung, die dem führenden Kommunisten im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts entgegen gebracht wird, sondern auch die am 16.04 2011 von Egon Krenz anlässlich der Gedenkfeier zum 125. Geburtstag Thälmanns gehaltenen Rede in Hamburg - in der seine einleitenden Worte waren:"Wir erinnern heute an einen großen Deutschen. Seine Gegner wollen ihn klein halten, weil er Kommunist war: ein aufrechter, ein standhafter, ein kämpferischer. Deshalb wollen sie seine historische Rolle dem herrschenden Zeitgeist anpassen" - zeigt, wie sehr das Leben und Wirken dieses Antidemokraten sich immer noch in bestimmten politischen Kreisen Deutschlands manifestiert.

Armin Fuhrer hat sich abseits der Legendenbildung um "Teddy", wie er von seinen Freunden und kommunistischen Mitkämpfern genannt wurde, mit dem politischen Leben von Ernst Thälmann beschäftigt. Obwohl oder gerade weil er in der ehemaligen DDR aus Gründen der Propaganda zu einem politischen Helden, einem aufrechten Kämpfer für die kommunistische Sache und zu einem Verfechter der Interessen der Arbeiter hochstilisiert wurde, unterzieht der Autor die Person Thälmann einer historischen Überprüfung, deren Ergebnis eigentlich das Ende der Heroisierung des KPD-Vorsitzenden bedeuten sollte.

Abseits der Tatsache, dass die Kommunistische Partei Deutschlands keine demokratische Bewegung war, ist es evident, dass sie unter Thälmanns Führung die Zeichen der Zeit - die drohende Machtübernahme der Nationalsozialisten - nicht richtig erkannt hat. Anstelle eines gemeinsamen Kampfes mit der SPD gegen die NSDAP, verortete die KPD ihren Feind in genau dieser SPD und schwächte damit den politischen Widerstand gegen Hitler. Während die Nationalsozialisten von rechts gegen die Weimarer Republik kämpften, war es die KPD, die von links die parlamentarische Demokratie demontieren wollte.

Während Thälmann noch heute für viele ehemalige DDR-Kommunisten den Status eines antifaschistischen Helden besitzt und fälschlicherweise für einen großen politischen Führer gehalten wird, zeigt Fuhrer das Bild eines von Stalin und dem Sowjetkommunismus faszinierten KPD-Vorsitzenden, der aus ideologischer Hörigkeit in Deutschland fatale politische Entscheidungen traf. Thälmann wird z. B. in bewährter geschichtsverfälschender kommunistischer Rhetorik aus dem gescheiterten "Roten Oktober" in Hamburg als ein Held der KPD hervorgehen, obwohl seine Rolle in diesem Aufstand eher kritisch gesehen werden muss.

Eng verbunden mit Rolle des KPD-Vorsitzenden muss dessen Verhältnis zu Stalin gedeutet werden. Schon früh wurde Thälmann zum Apologeten Stalins, der wahrscheinlich in dem deutschen Parteiführer nur ein nützliches Handwerkszeug gesehen hat. Auf alle Fälle war die Hoffnung Thälmanns auf eine Intervention Stalins nach seiner Verhaftung am 3. März 1933 vergeblich. Mit der Gefangennahme des KPD-Führers wurde er in den Augen Stalins bereits diskreditiert und somit politisch nutzlos.

Armin Fuhrer demontiert das kommunistische Arbeiterdenkmal Thälmann. Sieht man einmal von den Propagandalügen der ehemaligen DDR-Geschichtsschreibung ab, dann bleibt vom Soldaten des Proletariats nicht viel übrig. Als Marionette Stalins versuchte Thälmann von Deutschland aus, die kommunistische Revolution in Europa zu entfachen. Dabei verkannte er die politischen und wirtschaftlichen Interessen sowohl der Arbeiter als auch des Bürgertums. In der Adresse der SPD suchte er den Feind der Arbeiterschaft, dabei verkannte er grandios die eigentliche Gefahr, die aus der von ihm sträflich unterschätzten Ecke des Nationalsozialismus drohte.

Es bleibt die Frage, warum Ernst Thälmann die deutschen Verhältnisse der Jahre vor 1933 so falsch eingeschätzt hatte. War es dessen Moskauhörigkeit oder sein fehlendes intellektuelles Vermögen um die damaligen Verhältnisse und Abhängigkeiten zu durchschauen? Armin Fuhrer belegt in seiner Biografie, dass es eine fatale Mischung aus beiden Eigenschaften war, die dafür sorgte, dass Thälmann und die Kommunistische Partei Deutschlands die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik im Verein mit Hitlers NSDAP beseitigten.

Erst mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende der DDR beginnt die wirkliche Auseinandersetzung mit dem politischen Wirken Ernst Thälmanns. Armin Fuhrer hat mit dieser Biografie einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.




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