Buchkritik -- Robert Harris -- Aurora

Umschlagfoto  -- Robert Harris  --  Aurora Ein von Leben und seiner Arbeit desillusionierter britischer Historiker erfährt in Moskau von einem mysteriösen Tagebuch, welches seit Stalins Tod verschwunden ist. Zuerst steht er seinem Informanten skeptisch gegenüber. Doch eigene Nachforschungen und der gewaltsame Tod seines Zeugen bringen ihn auf die richtige Spur. Was folgt ist die Suche nach eben diesem Tagebuch. Sie führt ihn von den tristen Moskauer Plattenbausiedlungen bis nach Archangelsk. Dort gelingt es ihm, das Geheimnis dieses Tagebuches zu lüften.

Robert Harris hat einen Roman geschrieben, der gekonnt Fiktion und Realität miteinander verbindet. Die desolaten Verhältnisse Rußlands, Korruption und Machtmißbrauch, aber auch die politische Unsicherheit der Menschen, die nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems orientierungslos geblieben sind, beschreibt Harris sehr eindringlich.

Gleichzeitig versucht er zu erklären, wie Geschichte von den nachfolgenden Generationen wahrgenommen wird. Es ist nicht so sehr die objektive Aneignung des Gewesenen, sondern die, gerade in Rußland, vorherrschende Verdrängung der Verbrechen Stalins. Die aktuelle rusische Situation ist alles andere als befriedigend und die Zukunft sieht nicht gerade besser aus. Aus diesem Grund fragen sich natürlich viele, ob es unter einem kommunistischen System nicht allen besser gegangen wäre. Das geheimnisvolle Tagebuch Stalins wird zum Propagandainstrument einer radikalen Partei, die versucht, das alte System wiederherzustellen.

Beeindruckend genau gibt Harris in seinem Roman die abwartend-lethargische Stimmung in Rußland wieder. Das alte System ist zwar abgeschafft, doch an Stelle dessen trat nichts besseres. Die Mentalitäten sind noch die alten und es bedarf nur eines kleinen Anstosses und schon nimmt die politische Entwicklung eine andere, von niemand vorausgesehene Richtung.

Selten habe ich ein Roman gelesen, das mich derart von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen hat. Wer diese Mischung aus Fiktion und realen politischen Bedingungen mag, der hat eine ideale Lektüre. Aber auch diejenigen, die vordergründig den Unterhaltungswert eines Buches betrachten, liegen bei dieser Wahl nicht falsch.




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