Seitdem es die Fotografie gibt, benutzt die Politik sie für ihre Zwecke. Fälschungen und Manipulationen aus Gründen der Propaganda sind bei den Ideologen ein gern und oft benutztes Mittel, um den politischen Gegner zu bekämpfen. Ein Bild sagt eben mehr aus als tausend Worte. Das wußte und weiß auch die politische Avantgarde, der, weil sie sich zu Neuem und Besseren berufen fühlt, jedes Mittel recht ist, um die Meinungs- und Deutungshoheit zu erlangen und die ideologische Ausrichtung zu bestimmen.
Hans Becker von Sothen hat in seinem Buch "Bild-Legenden" viele dieser, wie der Untertitel es beschreibt, "Fälschungen - Fakes - Manipulationen", fotografischen Lügen vorgestellt. Es sind Fotos, die wohl jeder schon einmal gesehen hat, deren wahre Geschichte jedoch von der offiziell erlaubten Wahrnehmung abweicht.
Zahlreiche Beispiele beweisen die Kraft der Suggestion, ausgelöst durch ein in den Medien veröffentlichtes Bild. Da werden, immer mit ideologischer Motivation, Ressentiments geschürt, Hass gesät, politisch indoktriniert, aber das was wirklich geschehen ist, bleibt auf der Strecke.
Es gibt diese Schlüsselbilder, die ganzen Generationen eine vermeintliche Wahrheit vermittelt haben, die es so nie gegeben hat. Die Fälscher der Stalin-Ära, die, nach dem Erschießen politisch unbequem Gewordener, deren Körper auf Fotos schlicht wegretuschiert haben, der "Fallende Soldat" auf Robert Capas legendärem Foto aus dem spanischen Bürgerkrieg und, um in die Gegenwart zu springen, nicht zuletzt die gefälschten Fotos, auf denen angebliche Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins zu sehen waren. Sie hatten einzig den Zweck, die in der Regel unpolitische Masse ideologisch zu manipulieren und damit den Herrschenden ihr Handeln zu erleichtern.
Dass jedes Foto eine Botschaft transportiert, ist eine Binsenweisheit. Hans Becker von Sothen zeigt jedoch in seinem Buch, wie sehr diese Botschaft verfälscht werden kann und zu einer politischen Waffe wird. Ein einmal veröffentlichtes Bild und erst recht der Kontext, in dem es steht bwz. gestellt wird, prägt nachhaltig die Vorstellung des Betrachters. Es ist keine Frage, dass dieses Phänomen gern zur Manipulation benutzt wird.
Ein trauriges Beispiel dafür ist die Wehrmachtsausstellung, die, von März 1995 bis zum Herbst 1999 - ihrem vorläufigen Ende - weniger eine historische Aufarbeitung, sondern eine Anklage gegen die Wehrmacht war und den Vorwurf erhob, genauer gesagt, die pauschale Aussage tätigte, die Soldaten und Offiziere hätten in großem Umfang Kenntnisse über die Verbrechen des Nationalsozialismus besessen, die sogar ohne deren Hilfe nicht möglich gewesen wären. Es ist dem Historiker Bogdan Musial zu verdanken, diesen groß angelegten Betrugsversuch entlarvt zu haben.
"Bild-Legenden" von Hans Becker von Sothen ist ein Buch, das den Leser geradezu zwingt, sein unvoreingenommenes Bild in Hinsicht auf die Wahrheitsfähigkeit von Fotos zu korrigieren. In Zeiten wo die Bilder der Medien in der Regel nicht mehr von eigenen Fotografen vor Ort geliefert werden, sondern von Agenturen angeboten und verkauft werden, ist der Kontext, die Bildunterschrift, von besonderer Bedeutung. Ein und dasselbe Foto erhält erst durch den Zusammenhang, in den es gestellt wird, seine eigentliche Aussage. Wenn sich hier die Ideologie, die politische Ausrichtung einer Chefredaktion oder schieres Unwissen manifestiert, dann bleibt als erstes die Wahrheit auf der Strecke.
Nach der Lektüre von "Bild-Legenden" wird man Fotos kritischer betrachten als vorher.
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