Buchkritik -- Tim Blanning -- Friedrich der Große

Umschlagfoto, Buchkritik, Tim Blanning, Friedrich der Große, InKulturA Mythos und Realität liegen bekanntlich weit auseinander. Diese Diskrepanz wird besonders deutlich bei Friedrich II., dessen Bild des „Alten Fritz“ bis heute prägend ist. Philosophenkönig, fürsorglicher Landesvater, vor Bürgern den Hut ziehend auf der einen Seite, sich über Gesetze hinwegsetzend, das Volk verachtend, seine Beamten demütigend und Angriffskriege führend auf der anderen Seite, ist die Figur dieses Herrschers von Widersprüchlichkeiten geprägt, die Tim Blanning in seiner auch für den historisch interessierten Laien mit Gewinn zu lesenden Biographie auf den Punkt bringt.

Der Preußenkönig war, so der britische Historiker, ein Machtmensch, der ohne Rücksicht seine politischen Ziele verfolgte und dafür ohne Skrupel Menschen und Material opferte. Der Autor des „Anti Machiavel“ war, an die Macht gekommen, der erste, der gegen seine eigenen Thesen gehandelt hat. Nun ist es historisch betrachtet nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel, dass Herrscher stets ihre eigenen Ambitionen verfolgen und Rücksicht zu den Tugenden gehört, deren sich diese nicht verpflichtet fühlen, trotzdem jedoch hat Friedrich der Große bis heute im Bewusstsein der Öffentlichkeit als „erster Diener des Staates“ seinen Platz.

Dieses Bild nimmt Blanning mit viel britischem Humor genüsslich auseinander und stellt in seiner fulminanten Lebensbeschreibung Friedrich II. dessen vielschichtige und widersprüchliche Persönlichkeit heraus und widmet den homoerotische Neigungen des Herrschers großen Raum, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass jenseits aller Mutmaßungen diesbezüglich eine eindeutige Positionierung nicht möglich ist.

Der „Alte Fritz“ war ein mit allen Wassern politischer Macht gewaschener Herrscher, dem es gelang, Preußen zu einem europäischen Machtfaktor zu machen. Während er Andersdenkende und Deserteure hart bestrafte, ließ seine kluge Einwanderungspolitik die „märkische Streusandbüchse“ zu einem wirtschaftlich prosperierenden Territorium werden.

Niemand verstand es besser als er, der Öffentlichkeit das Bild des spartanische lebenden Königs zu präsentieren, bei Hofe jedoch in verschwenderischem Luxus – er gab ein Vermögen für Schnupftabakdosen aus – schwelgend.

Tim Blanning kratzt nicht wenig am Lack des öffentlichen Bildes Friedrichs II. Das macht er jedoch mit profunden historischen Kenntnissen und vermeidet dabei unwissenschaftliche Schwarzweißmalerei. Trotz seiner Kritik an Friedrich bleibt er für ihn ein Herrscher, der herausragend intellektuell war, klug regierte und durch seine weitsichtige Politik, dazu gehören auch, ob der Leser das gutheißt oder nicht, die drei „Schlesischen Kriege“, Preußen zu einem wirtschaftlich und wissenschaftlich erfolgreichen Staat gemacht hat.




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Veröffentlicht am 9. Juni 2019