Buchkritik -- Gary Victor -- Der Blutchor

Umschlagfoto, Buchkritik, Gary Victor, Der Blutchor , InKulturA Bezüglich des literarischen Schaffens von Autoren hält sich hartnäckig das Gerücht, Kurzgeschichten seien eine Vorübung, eine Etüde im Verlauf schriftstellerischer Entwicklung. Mag sein, dass das für manche Verfasser gilt, auf jeden Fall gilt es nicht für Gary Victor, dem "Vater" des versoffenen, aber genialen Ermittlers Dieuswalwe Azémar.

Seine bereits im Jahr 2001 erschienene Sammlung von neun Kurzgeschichten, die jetzt vom kleinen, aber feinen Verlag litradukt neu herausgegeben wurde, sind beileibe keine Fingerübungen eines angehenden Literaten, sondern Paukenschläge des plötzlich ins Leben einbrechenden Irrsinns. Da wird aus einem seine Frau betrügenden Mann plötzlich ein, im wörtlichen Sinn, ums Leben Betrogener (Die Hand), da erweist sich eine alte Frau als todbringende Küchenhilfe (Opfer), da bleibt ein schreckliches Verbrechen nicht ungesühnt (Sainsous Pfeife) und die Mutation eines Mitglieds des inneren Führungszirkels der Macht zu einem Schwanzträger, Kafka lässt grüßen, sorgt für politische Veränderungen (Corneille Soissons Schwanz).

"Der Blutchor" ist eine phantasievolle Mischung des erzählten Einbruchs des Wahnsinns in die stets nur oberflächliche Normalität des Alltags. Überall ist der Mensch bedroht. Auf der Straße, in seiner Wohnung und erst recht in seinen Träumen. Nicht entkommen zu können, ausgeliefert sein gegenüber dem Absurden, das ist das Schicksal der Victor`schen Figuren.

Die Situationen, in die der Autor seine Figuren geraten lässt, sind dem Zufall geschuldet. Es sind meist keine, wie auch immer inszeniert, Strafen für Fehlverhalten, sondern das zum Vorschein kommen latent längst vorhandener Ängste. Gary Victor ist ein wahrer Kenner menschlicher Abgründe.




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Veröffentlicht am 10. Dezember 2017